Mittwoch, 15. Juli 2015

4. Depesche: Lourdes und Tourmalet


Der Froome also, wie schon 2013. Er dominiert bisher mit seinen Himmelsfahrern. Sind Nibali, Contador, Quintana schon raus? Abwarten, die Tour läuft noch...

Heute am Tourmalet war die Sache klar, war aber auch keine Strecke für den Angriff, herrlich der dritte Platz für Emanuel Buchmann mit seinem 108-Kilometer-Ritt.

Der Col du Tourmalet - da bin ich mal hochgefahren, allerdings mit dem Auto. Auf einer Tour mit einem roten Kadett, ein tapferer kleiner Bochumer auf seiner letzten Fahrt. 1994 war das, eine große Schleife durch Andorra, Nordspanien und Südfrankreich.



Vorher ging es aber, so wie die Tour heute auch, durch Lourdes. Dieser marienverrückte Ort am Fuße der Pyrenäen ist die drittgrößte katholische Wallfahrtsstätte weltweit, sechs Millionen Menschen besuchen jährlich die Stadt. Infrastruktur und Dienstleistungsangebot sind vollständig an den stetigen Pilger- und Besucherzustrom angepaßt. Über der kleinen Höhle, in der im Jahr 1858 die kleine Bernadette Soubirous ihre Marienerscheinungen hatte, wurde eine riesige Kirche errichtet, drumherum der Site des Sanctuaires, der Heilige Bezirk. In der Innenstadt bieten mehrere Magasin Catholique unglaubliche Menge an Glaubensdevotionalien an.

Kern des ganzen Geschäftsmodells sind natürlich die sogenannten Wunderheilungen. Hier arbeiten Priester und Ärzte Hand in Hand. Auf dem Gelände gibt es ein eigens eingerichtetes medizinsches Büro, dem sämtliche Heilungen gemeldet werden. Ein internationales medizinische Komitee (C.M.I.L.) prüft dann nach Aktenlage zusammen mit dem Klerus. Es besteht aus etwa zwanzig Mitgliedern, alle "ausgezeichnet in ihren jeweiligen Fachrichtungen" Die Mitglieder des C.M.I.L. handeln ihrem Selbstverständnis nach dem Grundsatz: "Was nicht wissenschaftlich ist, ist nicht ethisch".
Bisher sind 69 als offizielle Wunderheilungen im Sinne der katholischen Kirche anerkannt worden. Dabei kann es sich von der ersten Meldung bis zur Wunderweihe hinziehen. Das 68. Wunder fand 1989 statt, wurde aber erst im Jahre 2013 anerkannt. Hier ist das in aller Ausführlichkeit dokumentiert (klick).
Es lohnt sich, dazu in Kurt Tucholskys Pyrenäentagebuch zu blättern, lesenswert bis heute sein bissig-kritischer Blick auf den Wahnsinn, der da bis heute stattfindet. Immer noch genauso aktuell wie 1927 (!).

Zitat: "Lourdes ist ein Anachronismus. Diese organisierten Pilgerzüge, diese elektrisch erleuchtete Kirche, die aussieht wie ein Vergnügungslokal auf dem Montmartre, der grauenhafte Schund, der da vorherrscht, nicht nur in den dummen Läden, sondern in den Kirchen selbst, diese unfromm bestellten Altäre, Schreine, Ornamente, Decken und Beleuchtungskörper."
"Sei es, dass sie Furcht haben, die heilige Quelle könne nicht so viel hergeben, sei es aus diesem seltsamen und verständlichen Glauben heraus, Wasser, über die so viele Gebete hingebraust sind, wirke stärker als frisches. Dieses Wasser wird nur zweimal am Tage gewechselt, nachmittags und abends. Hunderte baden also in demselben Bad und das Wasser ist fettig und bleigrau. Wunden, Eiter, Schorf, alles wird hineingetaucht. Nur wenn sich jemand vergisst, erneuern sie es sofort. Niemand schrickt zurück; vielleicht wissen sie es nicht."




Ich entschloss mich jedenfalls auf der Tour zum Kauf einer kleinen (Marien)flasche und füllte daraus etwas Wasser in den Kühler des kleinen Bochumers...




Danach hieß es nur noch Flucht aus Lourdes, hoch in die Berge. Es war schon später nachmittag, oben auf dem Tourmalet haben wir übernachtet, in einem kleinen Seitental auf über 1800 Höhenmetern kurz vor der Passhöhe. Es dämmerte schon und die Kälte kam, schnell wurde der Gaskocher für ein paar Nudeln angeworfen. Der Wein dazu ? Ich weiß es nicht mehr, wahrscheinlich allereinfachster Roter, möglicherweise sogar an einer Tankstelle gekauft.

Am nächsten Morgen dann ein unvergessliches Erlebnis. Über den scharfgezackten Pyrenäenkämmen zog die Sonne auf. In einem weißen Renault Kastenwagen erschien ein Schäfer mit Baskenmütze und stieß lauthals kehlige Schreie in Richtung der Felswände heraus. Glockengebimmel kündigte dann aus der Ferne die Ankunft seiner Herde an. Schafe rannten auf uns zu, tranken und leckten das auf Steinen ausgebreitete Salz.





Ein Wein zur heutigen Tour müßte was von den Füßen der Pyrenäen sein. Die AOCs sind ganz im Westen im Baskenland Irouléguy, dann Béarn und Jurancon südlich von Pau.

Letztere ist bekannt für ihre Weißweine. Da fällt relativ viel Niederschlag und es ist auch gar nicht so heiß, wie man vermuten würde. Das ergibt im trockenen Bereich frische Weine, die auch deutsche Rieslingtrinker ansprechen müßten. Außerdem gibt es natürlich noch die Edelsüßen aus dem Jurancon, durchaus eigenständig, in Frankreich aber auch beliebt als günstiger Sauternes-Ersatz. 





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