Die heutige Etappe ist unter Weingesichtspunkten ganz interessant. Startort ist Bourg-En-Bresse, eine lebendige Stadt zwischen dem Jura und dem Burgund. Bekannt ist die Gegend für sein Qualitätshuhn Poulet de Bresse, eine der Ikonen der französischen Kulinaristik. Für mich ist diese ländliche Ecke Frankreichs bisher nur ein Durchgangsland auf dem Weg in den Süden gewesen. Einmal haben wir auf dem Rückweg aus dem Languedoc ganz in der Nähe eine Etappenübernachtung eingelegt. Da gab es in einem Landgasthof am Abend im Menü auch eine Keule vom berühmten Huhn, dazu tranken wir einen Roten aus dem Maconnais. Dieser Teil des Burgunds liegt nur ein kurzes Stück weiter westlich, die Fahrer nehmen heute auch diese Strecke.
Auf dem Weg in den Süden grüßt das Bressehuhn an der Autobahn.
Kurz vor Lyon geht es dann noch parallel zur Saone durch die lieblichen Weinberge der AOC Beaujolais. In der Regel leichte, trinkbare Rote. Aber auch richtiger Stoff, die Crus wie Juliénas, Chénas, Moulin à Vent, Morgon, Fleurie sind ja bekannt. Da kommen Weine her, die gerne im Lande bleiben und von Liebhabern des Goût de France geschätzt werden. Nie zu schwer, kirschig intensive Frucht, moderat in den Gerbstoffen...
Was mir zum Beaujolais noch einfällt? Clochemerle! Eine herrliches Buch (verfilmt mit Fernandel) von Gabriel Chevallier, ein französischer Klassiker um die politischen Ränkespiele in einem Dorf, eine Provinzposse, sehr humorig geschrieben, mit Liebe, Sex, Korruption und ganz viel Wein...
Das Beaujolais hat viele Jahre den Durst der Stadt Lyon gestillt, es stellte die Versorgung der Arbeiterschaft dort mit bekömmlichem Rotwein sicher. Daher rührt immer noch der Pott Lyonnais / Pott Beaujolais. Eine Servierflasche mit einem besonders dicken Glasboden, der es ermöglicht, den Wein auf dem Tisch länger kühl zu halten. Dafür wird die Flasche vorher im Eisfach gekühlt. Sie fasst mit 46 cl. die Weinportion eines Arbeiters zum Mittagsmenü. Ein durchaus vernünftiges Maß also...
Lyon wird heute gemieden, nordlich der Metropole biegt die Tour rechts ab. Im letzten Jahr war die Stadt am Zusammenfluß von Saone und Rhone Etappenzielort und wurde hier ausführlich gewürdigt (klick).
Weiter geht es heute nach Südwesten in Richtung Zentralmassiv, Zielort ist St. Etienne. Und das ist die Hauptstadt des südfranzösischen Départements Loire. Und da klingelt ist natürlich bei Weinfreunden in den Ohren. Die verbinden mit der Loire natürlich eher die klassischen Lagen weiter im Westen wie, Chinon, Sancerre etc. Aber auch hier am Fuße des Massif Central und gar nicht weit von der Rhone weg gibt es ein Fleckchen mit Weinbau, in Deutschland weitgehend unbekannt. Und weil es in den vergangenen Jahren hier schon zu Etappen in dieser Ecke Burgunder und Beaujolaiser ins Glas gab, in diesem Jahr also ein Roter aus den Côtes du Forez, die südlichste Appellation der Loire, mit knapp 200 ha eine der kleinsten Frankreichs.
2011»Migmatite« VdPays d´Urfé Domaine La Madone (11%/10€) Die Roten hier werden, wie auch im Beaujolais, aus der Gamay gekeltert, haben aber wegen Höhenlage mit kühlerem Klima einen anderen Charakter. Auch der Boden ist ein völlig anderer, der Name des Weines weist darauf, Migmatit nennen Geologen eine Form des Granits, bekannt auch als Mischgneis. Auf nahezu reinem Migmatit stehen die Reben für diesen Wein von Winzer Gilles Bonnefoy. Was pasiert im Glas?
Aromaalarm! Wer hier verspielte Frucht, wie beim Beaujolais, dichte Kraft wie bei Nordrhone oder schmelzige Fülle wie bei Südrhone erwartet, liegt hier daneben und ist erstmal irritiert, ob der doch etwas karg anmutenden Aromatik.
In der Nase verhaltene Sauerkirsche und Küchenkräuter, im Mund sehr schlankes Volumen, kaum Material am Gaumen, keine Crema, kein Mundfüller. Es steht vor allem eine appetitanregende Säure im Mittelpunkt der Betrachtungen. Das Fazit für diesen Regionalwein? Nun, er ist von K&U in Nürnberg, deshalb für heute die Beschreibung von Martin Kössler als Schlußwort:
"Mutig regionaler Herkunftscharakter, ein selbstbewußter Gallier. Alles, nur kein Wein für Dick- und Fetttrinker und schon gar keiner für Konzentrationsfans. Gilles Bonnefoy stellt seine Herkunft provozierend vor den Kommerz. Praktizierte kühle Frische statt populistisch künstlicher Fülle und Breite. Elf locker flockige Volumenprozent mit verdammt viel Geschmack und noch mehr Weingefühl."
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