Donnerstag, 10. Juli 2014

Torstens Genusskommentar: Arras – Reims

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Arras – Reims

Durch den Startort Arras und auch durch Péronne bin ich in den frühen 90ern mal gekommen, wir waren da mit Kleinbus und Rädern vom Verein aus unterwegs durch die Picardie und die Normandie. Beide Orte waren aber nur Zwischenstopps mit dem Kleinbus für uns – unsere Radelgebiete waren zunächst nahe der belgischen Grenze rings um Maroilles, später dann bei Amiens und in der Gegend der Sommé – Mündung, alles Gegenden, die dieses Mal nicht berührt werden.

Von Arras ist mir das Stadtzentrum mit seinen hübschen Plätzen und der Unterstadt und vor allem das schöne Rathaus in Erinnerung geblieben. An Péronne erinnere ich mich weniger, das dortige Schloß und seine Befestigungsanlagen haben wohl nicht den Eindruck hinterlassen, an den man Jahrzehnte zurück denkt. Aber dass wir natürlich dort Aalspezialitäten gegessen haben, sollte im Gedächtnis geblieben sein, denn erstmalig hat mir dieser doch eigenartige Fisch geschmacklich etwas gegeben, Aber meine Lieblingsfische sind Aale bis heute nicht. Sollte ich aber noch mal dort hin kommen, freue ich mich auf die dortige Aalpastete.

Ließ den Priorat-Hammer seinerzeit unbeeindruckt: Chateau Péronne

Später führt die Tour dann durch mir intensiver in Erinnerung gebliebene Gebiete. Ich hatte seinerzeit einen recht hübschen Urlaub mit dem Auto und dem Kletterseil verbracht, und wollte mir bis dato unentdeckte Ecken Frankreichs ansehen, die nicht so weit im Landesinneren liegen. Nach einigen Klettertagen um Namur und Dinat in Belgien fuhr ich dann in das Gebiet der Thièrache.

Sehr malerisch fand ich den kleinen Ort Coucy – le Château-Auffrique, ein altes Festungsstädtchen mit vielen alten Resten der Befestigungen, einer hübschen Kirche und sehensweretn Schloßruinen. An einem Hang unterhalb der Befestigung gab es Reben, einen Wein, der dazu gehört habe ich allerdings nicht gefunden – sonst hätte ich den mit Sicherheit mitgenommen. Allein der Kuriosität halber – so was mache ich dann doch zu gerne, Weine aus Gegenden entdecken, die eigentlich heute nicht mehr als Weingegend bekannt sind. Der dortige kleine Weinberg erinnerte aber auch daran, dass es dereinst dort eben mehr Weinbau gab.

Coucy – le Château-Auffrique in der Picardie...
...und zu seinen Füßen Weinberge!

Auch die waldreiche Umgebung des Ortes hatte mir gefallen. Im Wald von St. Gobain fand ich einen hübschen Biwakplatz, schöne Wanderwege und sogar einen kleinen Felsen zum Bouldern. Das unspektakulär schöne Frankreich eben, das, was reicht, um abzuschalten und mit sich selbst ins Reine zu kommen...

Später dann führt die Tour einen Abschnitt entlang, der auch in mir dann doch recht gemischte Gefühle hinterließ. Die Radler werden heute wenig Zeit haben, um darüber nachzudenken, was der Chemin des Dames eigentlich war, auf dem heute ein Stück entlang geradelt wird.
Ich hatte nahe der Klosterruine nordwestlich von Craonne eine Nacht biwakiert, aber sehr unruhig geschlafen, was allerdings nicht aus Angst vor gegenwärtigen Bedrohungen passierte. Ich hatte mir vorher die Klosterruine angeschaut, die im ersten Weltkrieg extrem umkämpft war und entsprechend zerschossen auf mich und all die anderen heutigen Betrachter wartete. Das Ganze hatte einen ähnlich symbolischen Mahnmalwert auf mich wie die einstige Ruine der Dresdener Frauenkirche. Nur hier hat man die Ruine so konserviert, wie sie nach dem Ende des ersten Weltkrieges eben aussah. Nichts beschönigt, nichts wegretuschiert, nichts verschämt wieder aufgebaut, um es ungeschehen aussehen zu lassen. Was war, das war und soll die künftigen Generationen mahnen.
Das Ganze wurde im Traum für mich lebendig, ich war mittendrin in der hart umkämpften Zone und entsprechend emotional aufgewühlt besuchte ich auch am nächsten Tag die nahe gelegene Caverne du Dragon, an der die Touretappe auch vorbei geht. Diese unterirdischen Höhlensysteme waren lange umkämpft, ja die Frontlinie war hier mitunter sogar im Unterirdischen. 



Der französische alte Mann, der zwar nicht den ersten, aber wohl doch den Zweiten Weltkrieg miterlebt hatte, erzählte bewegende Geschichten von den ober- und unterirdischen Frontkämpfen hier an diesem Abschnitt des Chemin des Dames, von Soldaten, die in der Not ihren eigenen Urin soffen und von einem „illegalen“ unterirdischen Waffenstillstand an den Weihnachtstagen. Man hatte sich nicht darüber abgesprochen, aber die Waffen schwiegen einen Moment lang in dieser Hölle.
Neben mir war auch ein älteres Pärchen aus England bei dieser Führung – der Franzose erzählte für uns drei so bewegende Geschichten und dann stellten wir fest, dass wir einst verfeindeten Nationen uns jetzt friedlich in der Erinnerung an das Grauen hier trafen – und wir eigentlich auch befreundet sein könnten statt verfeindet. Am Ende der Besichtigung umarmten wir uns alle vier still zum Abschied, so bewegend war das Ganze.

An den Zielort Reims habe ich dann wieder beschwingtere Erinnerungen, obschon ja auch hier die Geschichte uns verfolgt. Anläßlich meines Geburtstages 1994 habe ich mit meiner damaligen Freundin einen Kurztrip nach Reims gemacht, wir fanden Quartier in einem einfachen Hotel mit angeschlossenem China-Restaurant. Natürlich habe wir die Altstadt mit ihren pompösen Kirchen ausgiebig besichtigt und auch der Champagner spielte seine Rolle. Nur war Mumm sicher nicht die beste Adresse, obschon die unterirdischen Kellereien beeindruckend waren. Aber getränketechnisch hätte es sicher weit bessere Ziele gegeben, nur wußten wir es damals eben noch nicht besser. Und so ist mir das Lächeln von Reims weitaus mehr in positiver Erinnerung als dieser doch recht einfache Mumm Cordon Rouge gebleiben. Daher gibt es zu der Etappe eben auch noch keinen Champagner bei mir.


Meine belgischen Bierreserven checkend mußte ich feststellen, dass alles eher aus den Ardennen stammte, was ich das letzte mal in Belgien mitnahm – bis auf „Der Straffe Hendrik“ - der kommt aus Brügge. So gab es dann am Ende ein Maredsous Triple, nicht besser und nicht schlechter passend als das Chimay von Thomas zur Etappe. In Chimay war ich übrigens bei selbiger Urlaubstour wie der, an die ich mich heute erinnert habe. Insofern wäre das für die heutige Etappe eine Idee, aber ich habe keins vorrätig – damals beim Besuch des Klosters hatte ich mir von jedem dortigen Bier eines mitgnommen für die folgenden Tage... Zur Thièrache passend wäre übrigens auch ein „Birnencidre“ – ein Poiré – ich habe dort in der gegend mehrfach welche direkt bei Erzeugern kaufen könenn und hatte stets meinen Spaß damit. Nur so was nimmt man dann doch nicht bis nach Deutchland mit.


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