Montag, 11. Juli 2016

Torstens Reise- und Genusskommentar: Vielha Val d'Aran - Andorra Arcalis

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen


Die Touretappe von Vielha nach Andorra – Arcalis ist für mich fast schon wie nach Hause kommen. Auf diesem Streckenabschnitt kenne ich fast jeden Kilometer wie meine sprichwörtliche Westentasche. So oft war ich auf jede erdenkliche Art und in beide Richtungen dort schon unterwegs...

Fahren wir zunächst mit den Radlern und lassen einige Highlights der Strecke Revue passieren – um dann die Strecke noch mal in Gegenrichtung am langen Stück unter die Räder der Erinnerungen zu nehmen...

Vielha – der wuselige Touristenort im Zentrum des Aran – Tals ist zwar nicht sonderlich hübsch, besticht aber durch seine tolle landschaftliche Lage. Übernachtet habe ich hier auch schon – dazu aber am Ende des Berichts mehr. Als Stopp zum Beine vertreten und wegen des hübschen alten Ortskernes empfehle ich aber das 15 km tiefer im Aran – Tal gelegene Bossóst.



Über die Region hinaus bekannt sind die Käse aus dem Aran-Tal, überwiegend aus Kuhmilch, aber es gibt auch welche mit Mischmilch (Kuh und Schaf, seltener Ziege). Das Aran – Tal hat sich außerdem neben einer eigenen Sprache (Aranés) auch eine eigene Küche bewahrt, die deutlich französischer geprägt ist als die der anderen Gegenden in den katalanischen Pyrenäen. Kein Wunder, war ja lange Zeit jeglicher Weg nach Katalonien / Spanien sehr beschwerlich im Gegensatz zum Weg im Tal hinab nach Frankreich.

Heute aber kann man von Vielha zwischen zwei Möglichkeiten wählen, ins „richtige“ Spanien / Katalonien zu kommen – durch den Tunnel direkt Richtung Lerida oder über den Paß, den wir jetzt in Angriff nehmen.

Im oberen Aran-Tal sind die Orte ebenfalls sehr durch den Wintersport – Tourismus geprägt, aber es gibt auch ein paar nette alte Kirchen aus romanischer Zeit am Weg. Auch gibt es inzwischen im Aran-Tal zwei Klettersteige, die ich aber bislang beide noch nicht machen konnte – meist aus Witterungsgründen war mir bislang dieser Spaß verwehrt.

Der Port de Bonaigua (2072 m) ist der höchste Pyrenäenpass Spaniens. Im Winter muss hier relativ gesehen die Hölle los sein, es ist eines der bekanntesten Wintersportzentren Spaniens, im Sommer gibt es ein wenig Wandertourismus. Man kann recht einfach in ca. 2 Stunden einen eher namenlosen Berg erklimmen, von dem aus man eine gute Fernsicht hat. Man geht eigentlich immer der Nase nach, es ist ein reiner einfacher Wanderberg, aber wegen der Aussicht lohnend. Im Gegensatz zu den Touri-Imbiss Gaststätten hier oben. Außerhalb der Saison ist dort eh aber immer alles zu. Wenn ich ins Priorat fahre, ist hier immer außerhalb der Saison...





Deutlich besser kehrt man aber einige Kilometer unterhalb gegenüber einer alten romanischen Kapelle ein – den Schlüssel für die Besichtigung der Kapelle gibt es ebenso in der Gaststätte.

Die ersten Kilometer bergab ist wie auch der Paß Zone Pastorale, Neben Kühen auf der Straße gibt es hier auch Herden halbwilder Pferde und sogar eine Herde Lamas. Also Vorsicht, egal, wie man runter fährt... Sehr schön ist auch ein beeindruckender Wasserfall etwas unterhalb der Kapelle rechts der abfahrenden Strasse. Sind die Steilkurven genommen, wird es auch übersichtlicher und man kann es etwas „laufen lassen“... Aber dennoch Vorsicht vor Getier und Mitmensch...

Um Esterri d´Aneu gibt es seit einigen Jahren eine breite Umgehungsstrasse, die alte Straße hatte Spitzkehren und steile Rampen, jetzt geht es fast ohne Kurven gleichmäßig hier runter. Bei einer Rückkehr aus dem Priorat konnten wir hier direkt an der Straße sitzende Geier beobachten Schade nur, dass niemand grade was zum Fotografieren „scharf“ hatte...

Aber auch sonst gibt es hier jede Menge Getier zu entdecken, dabei ist nicht alles harmlos. Bei einer Wanderung zu einer alten Kapelle einige Kilometer weiter unten lud uns dereinst ein Bachbett unterhalb eines kleinen Wasserfalles zum Bade ein. Fast wären wir schon ins Wasser gegangen, als wir dort grade noch rechtzeitig eine Schlange im Wasser entdeckten, deren V-förmiger Kopf nichts Gutes verhieß...

Station machen müssen wir natürlich in Llavorsi. Es soll ja auch immer, wenn möglich ein Bezug zum lokalen oder wenigstens regionalen Wein hergestellt werden. Biegt man in Llavorsi in eines der Sackgassentäler ab und fährt dieses hinauf bis zum Ende der Zivilisation nach Àreu, dann kommt man an den wohl derzeit höchst gelegenen Weinberg der Pyrenäen. Wie auch in den andorranischen Weinbergen wurde hier in Àreu Riesling angepflanzt, der den kleinen Weinberg bewirtschaftende Winzer ist kein geringerer als Ramon Pahí aus dem Priorat, dessen Weine ich auch in meiner Prioratführerselektion anbiete. Der Riesling aus diesem Weinberg reicht aber momentan noch nicht aus, um daraus einen eigenen Wein zu keltern. Allerdings durfte ich bereits einen Wein probieren, wo der Riesling mit Trauben aus dem Priorat verschnitten wurde. Als Namen denkt Ramon dabei über etwas in der Richtung „L´Illegal“ nach... Solche illegalen Drogen sind dann nicht mal schlecht... - auf dem Markt ist ein solcher Wein offiziell aber noch nicht, eventuell bekommt man ihn im Restaurant in Alins, dessen Wirt der Grund und Boden des Weinbergs gehört.

Riesling-Wingert in den Pyrenäen
Zurück nach Llavorsi. Hier kann man sich auch in die Wildwasserabenteuer stürzen, die Noguera Palleresa ist diesbezüglich ein wahres Paradies. Das Flüßchen gehört je nach Wasserstand zum Extremsten, was die katalanischen Pyrenäen für Wildwasserfreaks zu bieten haben. Während ich mein Rafting Abenteuer auf diesem Fluß einst von Sort aus startete, wählte ich einige Jahre drauf von Llavorsi aus Hydrospeed. Die Strecke ist 8 km lang, in den ersten vier Kilometern wechselt tiefes ruhiges Wasser, wo man schwimmend durchkommt mit Wildwasser, wo man „geschehen läßt“ und nur versucht, sich entsprechend der vorgegebenen Kommandos zu lenken. Bei der Pause fragt der Animateur, ob jemand aussteigen will und dann geht es 4 km mit ununterbrochenem Wildwasser weiter... rasant und glücklich machend, wie das Foto beweist, was ein versteckter Fotograf von mir machte.




Sort heißt dann der quirlige Ort, wo man den Fluß weiter runter kann oder eben wieder ansteigend zum Col de Canto hoch kommt. Hier kann man im Hard Rock Café sehr angenehm speisen, einkaufen oder Berg- und Wildwasserabenteuer angehen.. Irgendwie einer der sympathischsten Orte hier in der Ecke für mich.

Die folgenden 42 km über den Col de Canto (1725 m) nach Adrall sind inzwischen nicht mehr ganz so abenteuerlich zu fahren, wie ich es euch später erzählen werde. Der heutige Radtourist ist aber immer noch gut beraten, genug Verpflegung und zu Trinken dabei zu haben...

Seu de Urgell ist der kulturelle Höhepunkt der Etappe – gemeinsam mit Andorra la Vella. Neben einigen Altstadtstraßen ist vor allem die im Kern romanische Kathedrale sehenswert. Bereits 1991 war ich hier per Rad unterwegs, von Perpignan kommend und über Andorra fahren wollend... Die Strecke über den Port de Envalira, die am Dienstag gefahren wird, habe ich also auch bereits in der Richtung auf dem Rad sitzend gemacht. Bereits damals hab ich mir die Altstadt und die Kathedrale angesehen...

In Andorra hat sich seit 1991 viel getan. Vielleicht erzähle ich anläßlich des Ruhetages noch etwas über „mein“ Andorra, jetzt möchte ich nur erst mal darauf hinweisen, dass in Andorra nicht nur ein paar Kartoffeln angebaut werden, wie in der Tourberichterstattung genannt. Bedeutendstes landwirtschaftliche Erzeugnis ist wohl seit langem der Tabak, aber seit einigen Jahren mischt sich der Kleinstaat auch unter die Weinbau betreibenden Länder. Einmal auf einer Weißweinverkostung anläßlich der Fira gab es einen andorranischen Riesling zu trinken. Und der war für mich besser als die dort ebenfalls zur Verkostung anstehenden deutschen Rieslinge (gut, das waren keine GG, eher wohl anständige Ortsweine, u.a. von Wittmann.) Der Andorraner schlug sich achtsam und eigentlich möchte ich dem Andorranischen Weinbau seither gerne mal etwas mehr auf den Zahn fühlen. Wäre es nur nicht so weit weg und würde es nicht so häufig regnen und mich schneller ins Priorat bringen, als ich wollte...

Noch nicht probiert: Andorra-Riesling
Das Tal von Ordino, in das die Fahrer zum Schlußanstieg ansetzen, ist für mich persönlich das Schönste. Noch immer ist es relativ unverbaut und die vielen kleinen Weiler laden zum Entdecken ein. Das beginnt mit dem Hauptort des Tales – Ordino mit seinem hübschen Ortskern und gipfelt im alten Llorts mit der für mich schönsten romaischen Kirche Andorras – neben der von Canillo.

Einige Kilometer hinter El Serrat kann man von der Strecke nach Arinsal auch nach rechts abbiegen und fährt dann zu einem Naturparkzentrum, wo es dann noch ca. 3 km mühsam auf unfestigtem Bergweg bergan geht bis zum letztmöglichen Parkplatz. Von dort läuft man in 15 bis 20 Minuten hinauf zur Estanyo – Hütte, die Platz für mehr als 20 Leute bietet. Die Hütte hat eine Feuerstelle, Doppelstockbettgetelle, Tische und Bämke und eine Öko-Trockentoilette. Waschen ist draußen an eiskalter Quelle. Das ganze kostet dafür nichts – es ist eine von über 30 kostenlosen Berghütten in Andorra. Man sollte aber nicht Freitag oder Samstag abend dort aufschlagen. Mitten in der Naht kommen dann leider oft Scharen andorranischer Jugendlicher, um dort Party zu machen. Mit ihrem Krach beziehen sie leider die dort schlafenden Wanderer einfach mit ein... Unter der Woche aber kann man dort auch mit den dort lebenden Bilchen alleine sein. Oder es kommen andere Natur- und Wanderfreunde aus aller Welt, die nicht stören. Den Bilchen gibt man am Besten von seinen Lebensmitteln etwas ab, um Ruhe zu haben, will man vermeiden, da sie sich in den Rucksack einnagen, um an Erdbeerkekse, Schokolade, Käse u.ä. zu kommen.

Belohnt wird man mit phantastischer natürlicher Bergkulisse und besten Wandermöglichkeiten aller Schwierigkeitsgrade . Während sich der Pic de Serrère (2911 m) einfach erwandern läßt, gibt es am einen Meter höheren Estanyo einige Routen, wo man schon mal die Hände aus den Taschen nehmen sollte. Besonders toll finde ich den Aufstieg über den Grat vom Paß zwischen Serrère und Estanyo...

Nun aber zu einem kleinen Bericht von einer Radtour 1996, als ich fast die gesamte Strecke der heutigen Etappe in entgegengesetzter Richtung erstmals kennenlernte...

Mit meiner damaligen Freundin war ich für drei Wochen von Barcelona aus per Rad und mit dem Zeltgepäck unterwegs.

Wir hatten in Porté Puymorens recht weit oben gezeltet und sind in gutem Ritt über den 1912 m hohen Col de Puymorens und den 2409 m hohen Port d´ Envalira geradelt, um uns dann lange und zügig in Andorra abrollen zu lassen. Ein kultureller Zwischenstopp in der Hauptstadt war natürlich drin, damals war aber auch vieles eine einzige Baustelle, es war nicht mehr das alte, beschauliche La Vella von 1991, aber noch nicht das moderne aufgepeppte Andorra La Vella der heutigen Tage.

Irgendwie sind wir dann doch auch schnell durchgeradelt, zumal es ja ab dem Port d´Envalira im Prinzip nur bergab ging.

Das Einkaufen von ein paar frischen Lebensmitteln hatten wir irgendwie „verdrängt“, kannten wir es doch von den kleinen andalusischen Dörfern, dass man in Spanien im Prinzip immer und überall was zu Essen und zu trinken bekam.

Und so bogen wir in Adrall ab mit dem nächsten Ziel namens Sort. Auf der Karte waren genügend kleine Orte verzeichnet... Gleich zu Beginn bekamen wir es mit sehr steilen Rampen zu tun. Das erste kleine Dörfchen namens Parroquia de Ortó hatte für uns eine kleine Kneipe parat, wo wir zur Erfrischung etwas tranken... Dann aber ging es weiter unerbittlich hinauf, langgezogen und ohne viele Kehren – ein Psycho-Anstieg, an dem du beginnst, auf die Kilometersteine zu achten, um zu erkennen, dass du vorwärts kommst... Die nächsten Dörfer waren allesamt verlassen (inzwischen haben sich wieder einige wenige Leute dort angesiedelt..) - Nichts mit einer Einkaufs- oder Einkehrstätte. Im Ruinendorf Palleróls war Schluß für den Tag, wir fanden ein Plätzchen, wo wir unser Zelt aufstellen konnten und zum Glück eine Wasserquelle. Ansonsten war Schmalhans Küchenmeister, wir teilten das Wenige an Lebensmitteln, was wir noch hatten, ein für Abendbrot und Frühstück...

Und am nächsten Morgen ging es sofort weiter mit dem unerbittlich sich in der Sonne in die Länge ziehenden Anstieg. Vor dem Pass sollte sowieso nichts mehr kommen, die Orte auf der anderen Paßseite waren ebenso wüst und scheinbar unbewohnt. Wenigstens ging es wieder bergab mit uns.
In Vilamur dann plötzlich der Hinweis auf eine Bar. Kaffee oder Bier? Was sättigt mehr? Was zu Essen? Fehlanzeige, erst in einigen Stunden gäbe es etwas. Wir bekommen ein paar Nüsse und Chips zum Bier, tapasmäßig... Der Magen knurrt die unerbittliche Wirtin an. Umsonst.

Erst in Sort unten soll der Magen zu seinem Recht kommen... Vor dem Beginn des neuen Anstieges. Im zunächst engen Tal der Noguera Pallaresa ist es ein wenig frischer und ab und an haben wir Schatten. Der Anstieg ist spürbar aber akzeptabel im Tale. Dennoch knirscht es immer wieder in den Gelenken. Im Gegensatz zu den Tour de France – Rennradlern haben wir jeder 20 – 30 kg Gepäck dabei... Die tolle Landschaft aber entschädigt für alles.

In Llavorsi machen wir eine kleine Rast und genießen das schöne alte Dörfchen. Zum Glück sind hier die Orte bewohnt...

Danach weitet sich das Tal und es geht nicht mehr ganz so steil bergan. Dennoch bleibt die Landschaft phantastisch. Vor Esterri d´Aneu ein Zeltplatz. Wir diskutieren und befinden, es sei besser zu nehmen, was wir haben können, Wer weiß, ob wir weiter oben noch was zum Zelten finden und ab Esterri soll es richtig zur Sache gehen... Der Zeltplatz ist recht teuer, dafür aber haben wir den Partylärm gratis. Gut schlafen ging immer irgendwie anders. Aber weder Probleme mit der Verpflegung noch mit dem WC. Schließlich kann nicht alles immer ideal sein...

Am nächsten Tag geht es dann hinter Esterri d´Aneu so richtig zur Sache. Zum Glück war meine damlige Freundin nicht zimperlich und wußte, wie man über die richtig hohen Berge radelt. Aber es zog sich und eine erste Bar unterwegs ist natürlich noch geschlossen und es bleibt für lange Zeit die Einzige. Dann aber kommt die Gaststätte bei der hübschen und sehenswerten romanischen Kapelle und man gewährt uns ordentlich Speis und Trank, auch wenn es noch nicht ganz spanisch-katalanische Zeit fürs Essen ist. Die letzten Kehren fahren wir mit frischer Kraft und dieser Anstieg machte insgesamt viel Spaß, auch wenn man immer wieder sah, wo es noch hin gehen wird...

Paßhöhe – kurz gucken und dann runter... - bis es knallt bei mir... Der Mantel ist geplatzt. Bäh... Meine Freundin bleibt beim Rest des Rades, ich versuche mit dem Rad bergab zu trampen, um einen Fahrradladen zu finden. Einen Schlauch hätten wir ja noch gehabt, aber einen Mantel?
Zum Glück wird mir geholfen und einige Zeit später können wir die Reise fortetzen. Dennoch haben wir genug Zeit verloren, um dann in Vielha zu sagen, hier bleiben wir für die Nacht...


Beim Sportplatz dürfen wir umsonst zelten – da wir aber in Richtung Barcelona müssen und nicht wieder nach Frankreich rein, dürfen wir uns mental schon mal darauf vorbereiten, dass am nächsten Tag der über 5 km lange Tunnel von Vielha auf uns wartet – davon etwa 4 km im Tunnel bergan und den letzten leicht bergab. Der Tunnel ist zu der Zeit insgesamt noch recht schlecht beleuchtet – aber das alles ist dann eine ganz andere Geschichte...    

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