Die Touretappe von Vielha nach Andorra
– Arcalis ist für mich fast schon wie nach Hause kommen. Auf
diesem Streckenabschnitt kenne ich fast jeden Kilometer wie meine
sprichwörtliche Westentasche. So oft war ich auf jede erdenkliche
Art und in beide Richtungen dort schon unterwegs...
Fahren wir zunächst mit den Radlern
und lassen einige Highlights der Strecke Revue passieren – um dann
die Strecke noch mal in Gegenrichtung am langen Stück unter die
Räder der Erinnerungen zu nehmen...
Vielha – der
wuselige Touristenort im Zentrum des Aran – Tals ist zwar nicht
sonderlich hübsch, besticht aber durch seine tolle landschaftliche
Lage. Übernachtet habe ich hier auch schon – dazu aber am Ende des
Berichts mehr. Als Stopp zum Beine vertreten und wegen des hübschen
alten Ortskernes empfehle ich aber das 15 km tiefer im Aran – Tal
gelegene Bossóst.
Über
die Region hinaus bekannt sind die Käse
aus dem Aran-Tal,
überwiegend aus Kuhmilch, aber es gibt auch welche mit Mischmilch
(Kuh und Schaf, seltener Ziege). Das Aran – Tal hat sich außerdem
neben einer eigenen Sprache (Aranés) auch eine eigene Küche
bewahrt, die deutlich französischer geprägt ist als die der anderen
Gegenden in den katalanischen Pyrenäen. Kein Wunder, war ja lange
Zeit jeglicher Weg nach Katalonien / Spanien sehr beschwerlich im
Gegensatz zum Weg im Tal hinab nach Frankreich.
Heute aber kann man von Vielha zwischen zwei Möglichkeiten wählen,
ins „richtige“ Spanien / Katalonien zu kommen – durch den
Tunnel direkt Richtung Lerida oder über den Paß, den wir jetzt in
Angriff nehmen.
Im
oberen Aran-Tal
sind die Orte ebenfalls sehr durch den Wintersport – Tourismus
geprägt, aber es gibt auch ein paar nette alte Kirchen aus
romanischer Zeit am Weg. Auch gibt es inzwischen im Aran-Tal zwei
Klettersteige, die ich aber bislang beide noch nicht machen konnte –
meist aus Witterungsgründen war mir bislang dieser Spaß verwehrt.
Der
Port de Bonaigua
(2072 m) ist der höchste Pyrenäenpass Spaniens. Im Winter muss hier
relativ gesehen die Hölle los sein, es ist eines der bekanntesten
Wintersportzentren Spaniens, im Sommer gibt es ein wenig
Wandertourismus. Man kann recht einfach in ca. 2 Stunden einen eher
namenlosen Berg erklimmen, von dem aus man eine gute Fernsicht hat.
Man geht eigentlich immer der Nase nach, es ist ein reiner einfacher
Wanderberg, aber wegen der Aussicht lohnend. Im Gegensatz zu den
Touri-Imbiss Gaststätten hier oben. Außerhalb der Saison ist dort
eh aber immer alles zu. Wenn ich ins Priorat fahre, ist hier immer
außerhalb der Saison...
Deutlich besser kehrt man aber einige Kilometer unterhalb gegenüber
einer alten romanischen Kapelle ein – den Schlüssel für die
Besichtigung der Kapelle gibt es ebenso in der Gaststätte.
Die ersten Kilometer bergab ist wie auch der Paß Zone Pastorale,
Neben Kühen auf der Straße gibt es hier auch Herden halbwilder
Pferde und sogar eine Herde Lamas. Also Vorsicht, egal, wie man
runter fährt... Sehr schön ist auch ein beeindruckender Wasserfall
etwas unterhalb der Kapelle rechts der abfahrenden Strasse. Sind die
Steilkurven genommen, wird es auch übersichtlicher und man kann es
etwas „laufen lassen“... Aber dennoch Vorsicht vor Getier und
Mitmensch...
Um
Esterri d´Aneu
gibt es seit einigen Jahren eine breite Umgehungsstrasse, die alte
Straße hatte Spitzkehren und steile Rampen, jetzt geht es fast ohne
Kurven gleichmäßig hier runter. Bei einer Rückkehr aus dem Priorat
konnten wir hier direkt an der Straße sitzende Geier beobachten
Schade nur, dass niemand grade was zum Fotografieren „scharf“
hatte...
Aber auch sonst gibt es hier jede Menge Getier zu entdecken, dabei
ist nicht alles harmlos. Bei einer Wanderung zu einer alten Kapelle
einige Kilometer weiter unten lud uns dereinst ein Bachbett unterhalb
eines kleinen Wasserfalles zum Bade ein. Fast wären wir schon ins
Wasser gegangen, als wir dort grade noch rechtzeitig eine Schlange im
Wasser entdeckten, deren V-förmiger Kopf nichts Gutes verhieß...
Station
machen müssen wir natürlich in Llavorsi.
Es soll ja auch immer, wenn möglich ein Bezug zum lokalen oder
wenigstens regionalen Wein hergestellt werden. Biegt man in Llavorsi
in eines der Sackgassentäler ab und fährt dieses hinauf bis zum
Ende der Zivilisation nach Àreu,
dann kommt man an den wohl derzeit höchst
gelegenen Weinberg der Pyrenäen.
Wie auch in den andorranischen Weinbergen wurde hier in Àreu
Riesling angepflanzt, der den kleinen Weinberg bewirtschaftende
Winzer ist kein geringerer als Ramon Pahí
aus dem Priorat, dessen Weine ich auch in meiner
Prioratführerselektion anbiete. Der Riesling aus diesem Weinberg
reicht aber momentan noch nicht aus, um daraus einen eigenen Wein zu
keltern. Allerdings durfte ich bereits einen Wein probieren, wo der
Riesling mit Trauben aus dem Priorat verschnitten wurde. Als Namen
denkt Ramon dabei über etwas in der Richtung „L´Illegal“
nach... Solche illegalen Drogen sind dann nicht mal schlecht... - auf
dem Markt ist ein solcher Wein offiziell aber noch nicht, eventuell
bekommt man ihn im Restaurant in Alins,
dessen Wirt der Grund und Boden des Weinbergs gehört.
Riesling-Wingert in den Pyrenäen |
Zurück
nach Llavorsi. Hier kann man sich auch in die Wildwasserabenteuer
stürzen, die Noguera Palleresa ist
diesbezüglich ein wahres Paradies. Das Flüßchen gehört je nach
Wasserstand zum Extremsten, was die katalanischen Pyrenäen für
Wildwasserfreaks zu bieten haben. Während ich mein Rafting Abenteuer
auf diesem Fluß einst von Sort aus startete, wählte ich einige
Jahre drauf von Llavorsi aus Hydrospeed. Die
Strecke ist 8 km lang, in den ersten vier Kilometern wechselt tiefes
ruhiges Wasser, wo man schwimmend durchkommt mit Wildwasser, wo man
„geschehen läßt“ und nur versucht, sich entsprechend der
vorgegebenen Kommandos zu lenken. Bei der Pause fragt der Animateur,
ob jemand aussteigen will und dann geht es 4 km mit ununterbrochenem
Wildwasser weiter... rasant und glücklich machend, wie das Foto
beweist, was ein versteckter Fotograf von mir machte.
Sort heißt
dann der quirlige Ort, wo man den Fluß weiter runter kann oder eben
wieder ansteigend zum Col de Canto hoch kommt. Hier kann man im Hard
Rock Café sehr angenehm speisen, einkaufen oder Berg- und
Wildwasserabenteuer angehen.. Irgendwie einer der sympathischsten
Orte hier in der Ecke für mich.
Die
folgenden 42 km über den Col de Canto
(1725 m) nach Adrall
sind inzwischen nicht mehr ganz so abenteuerlich zu fahren, wie ich
es euch später erzählen werde. Der heutige Radtourist ist aber
immer noch gut beraten, genug Verpflegung und zu Trinken dabei zu
haben...
Seu de Urgell
ist der kulturelle Höhepunkt der Etappe – gemeinsam mit Andorra la
Vella. Neben einigen Altstadtstraßen ist vor allem die im Kern
romanische Kathedrale sehenswert. Bereits 1991 war ich hier per Rad
unterwegs, von Perpignan kommend und über Andorra fahren wollend...
Die Strecke über den Port de Envalira, die am Dienstag gefahren
wird, habe ich also auch bereits in der Richtung auf dem Rad sitzend
gemacht. Bereits damals hab ich mir die Altstadt und die Kathedrale
angesehen...
In
Andorra
hat sich seit 1991 viel getan. Vielleicht erzähle ich anläßlich
des Ruhetages noch etwas über „mein“ Andorra, jetzt möchte ich
nur erst mal darauf hinweisen, dass in Andorra nicht nur ein paar
Kartoffeln angebaut werden, wie in der Tourberichterstattung genannt.
Bedeutendstes landwirtschaftliche Erzeugnis ist wohl seit langem der
Tabak, aber seit einigen Jahren mischt sich der Kleinstaat auch unter
die Weinbau betreibenden Länder. Einmal auf einer Weißweinverkostung
anläßlich der Fira gab es einen andorranischen
Riesling
zu trinken. Und der war für mich besser als die dort ebenfalls zur
Verkostung anstehenden deutschen Rieslinge (gut, das waren keine GG,
eher wohl anständige Ortsweine, u.a. von Wittmann.) Der Andorraner
schlug sich achtsam und eigentlich möchte ich dem Andorranischen
Weinbau seither gerne mal etwas mehr auf den Zahn fühlen. Wäre es
nur nicht so weit weg und würde es nicht so häufig regnen und mich
schneller ins Priorat bringen, als ich wollte...
Noch nicht probiert: Andorra-Riesling |
Das
Tal von Ordino,
in das die Fahrer zum Schlußanstieg ansetzen, ist für mich
persönlich das Schönste. Noch immer ist es relativ unverbaut und
die vielen kleinen Weiler laden zum Entdecken ein. Das beginnt mit
dem Hauptort des Tales – Ordino
mit seinem hübschen Ortskern und gipfelt im alten Llorts
mit der für mich schönsten romaischen Kirche Andorras – neben der
von Canillo.
Einige
Kilometer hinter El Serrat
kann man von der Strecke nach Arinsal auch nach rechts abbiegen und
fährt dann zu einem Naturparkzentrum, wo es dann noch ca. 3 km
mühsam auf unfestigtem Bergweg bergan geht bis zum letztmöglichen
Parkplatz. Von dort läuft man in 15 bis 20 Minuten hinauf zur
Estanyo – Hütte,
die Platz für mehr als 20 Leute bietet. Die Hütte hat eine
Feuerstelle, Doppelstockbettgetelle, Tische und Bämke und eine
Öko-Trockentoilette. Waschen ist draußen an eiskalter Quelle. Das
ganze kostet dafür nichts – es ist eine von über 30 kostenlosen
Berghütten in Andorra. Man sollte aber nicht Freitag oder Samstag
abend dort aufschlagen. Mitten in der Naht kommen dann leider oft
Scharen andorranischer Jugendlicher, um dort Party zu machen. Mit
ihrem Krach beziehen sie leider die dort schlafenden Wanderer einfach
mit ein... Unter der Woche aber kann man dort auch mit den dort
lebenden Bilchen alleine sein. Oder es kommen andere Natur- und
Wanderfreunde aus aller Welt, die nicht stören. Den Bilchen gibt man
am Besten von seinen Lebensmitteln etwas ab, um Ruhe zu haben, will
man vermeiden, da sie sich in den Rucksack einnagen, um an
Erdbeerkekse, Schokolade, Käse u.ä. zu kommen.
Belohnt
wird man mit phantastischer natürlicher Bergkulisse und besten
Wandermöglichkeiten aller Schwierigkeitsgrade . Während sich der
Pic de Serrère (2911 m)
einfach erwandern läßt, gibt es am einen Meter höheren Estanyo
einige Routen, wo man schon mal die Hände aus den Taschen nehmen
sollte. Besonders toll finde ich den Aufstieg über den Grat vom Paß
zwischen Serrère und Estanyo...
Nun aber zu einem kleinen
Bericht von einer Radtour 1996, als ich fast die gesamte Strecke der
heutigen Etappe in entgegengesetzter Richtung erstmals
kennenlernte...
Mit meiner damaligen Freundin war ich für drei Wochen von Barcelona
aus per Rad und mit dem Zeltgepäck unterwegs.
Wir hatten in Porté Puymorens recht weit oben gezeltet und sind in
gutem Ritt über den 1912 m hohen Col de Puymorens und den 2409 m
hohen Port d´ Envalira geradelt, um uns dann lange und zügig in
Andorra abrollen zu lassen. Ein kultureller Zwischenstopp in der
Hauptstadt war natürlich drin, damals war aber auch vieles eine
einzige Baustelle, es war nicht mehr das alte, beschauliche La Vella
von 1991, aber noch nicht das moderne aufgepeppte Andorra La Vella
der heutigen Tage.
Irgendwie sind wir dann doch auch schnell durchgeradelt, zumal es ja
ab dem Port d´Envalira im Prinzip nur bergab ging.
Das Einkaufen von ein paar frischen Lebensmitteln hatten wir
irgendwie „verdrängt“, kannten wir es doch von den kleinen
andalusischen Dörfern, dass man in Spanien im Prinzip immer und
überall was zu Essen und zu trinken bekam.
Und
so bogen wir in Adrall ab mit dem nächsten Ziel namens Sort. Auf der
Karte waren genügend kleine Orte verzeichnet... Gleich zu Beginn
bekamen wir es mit sehr steilen Rampen zu tun. Das erste kleine
Dörfchen namens Parroquia de Ortó hatte für uns eine kleine Kneipe
parat, wo wir zur Erfrischung etwas tranken... Dann aber ging es
weiter unerbittlich hinauf, langgezogen und ohne viele Kehren – ein
Psycho-Anstieg, an dem du beginnst, auf die Kilometersteine zu
achten, um zu erkennen, dass du vorwärts kommst... Die nächsten
Dörfer waren allesamt verlassen (inzwischen haben sich wieder einige
wenige Leute dort angesiedelt..) - Nichts mit einer Einkaufs- oder
Einkehrstätte. Im Ruinendorf Palleróls war Schluß für den Tag,
wir fanden ein Plätzchen, wo wir unser Zelt aufstellen konnten und
zum Glück eine Wasserquelle. Ansonsten war Schmalhans Küchenmeister,
wir teilten das Wenige an Lebensmitteln, was wir noch hatten, ein für
Abendbrot und Frühstück...
Und am nächsten Morgen ging es sofort weiter mit dem unerbittlich
sich in der Sonne in die Länge ziehenden Anstieg. Vor dem Pass
sollte sowieso nichts mehr kommen, die Orte auf der anderen Paßseite
waren ebenso wüst und scheinbar unbewohnt. Wenigstens ging es wieder
bergab mit uns.
In Vilamur dann plötzlich der Hinweis auf eine Bar. Kaffee oder
Bier? Was sättigt mehr? Was zu Essen? Fehlanzeige, erst in einigen
Stunden gäbe es etwas. Wir bekommen ein paar Nüsse und Chips zum
Bier, tapasmäßig... Der Magen knurrt die unerbittliche Wirtin an.
Umsonst.
Erst in Sort unten soll der Magen zu seinem Recht kommen... Vor dem
Beginn des neuen Anstieges. Im zunächst engen Tal der Noguera
Pallaresa ist es ein wenig frischer und ab und an haben wir Schatten.
Der Anstieg ist spürbar aber akzeptabel im Tale. Dennoch knirscht es
immer wieder in den Gelenken. Im Gegensatz zu den Tour de France –
Rennradlern haben wir jeder 20 – 30 kg Gepäck dabei... Die tolle
Landschaft aber entschädigt für alles.
In Llavorsi machen wir eine kleine Rast und genießen das schöne
alte Dörfchen. Zum Glück sind hier die Orte bewohnt...
Danach weitet sich das Tal und es geht nicht mehr ganz so steil
bergan. Dennoch bleibt die Landschaft phantastisch. Vor Esterri
d´Aneu ein Zeltplatz. Wir diskutieren und befinden, es sei besser zu
nehmen, was wir haben können, Wer weiß, ob wir weiter oben noch was
zum Zelten finden und ab Esterri soll es richtig zur Sache gehen...
Der Zeltplatz ist recht teuer, dafür aber haben wir den Partylärm
gratis. Gut schlafen ging immer irgendwie anders. Aber weder Probleme
mit der Verpflegung noch mit dem WC. Schließlich kann nicht alles
immer ideal sein...
Am nächsten Tag geht es dann hinter Esterri d´Aneu so richtig zur
Sache. Zum Glück war meine damlige Freundin nicht zimperlich und
wußte, wie man über die richtig hohen Berge radelt. Aber es zog
sich und eine erste Bar unterwegs ist natürlich noch geschlossen und
es bleibt für lange Zeit die Einzige. Dann aber kommt die Gaststätte
bei der hübschen und sehenswerten romanischen Kapelle und man
gewährt uns ordentlich Speis und Trank, auch wenn es noch nicht ganz
spanisch-katalanische Zeit fürs Essen ist. Die letzten Kehren fahren
wir mit frischer Kraft und dieser Anstieg machte insgesamt viel Spaß,
auch wenn man immer wieder sah, wo es noch hin gehen wird...
Paßhöhe – kurz gucken und dann runter... - bis es knallt bei
mir... Der Mantel ist geplatzt. Bäh... Meine Freundin bleibt beim
Rest des Rades, ich versuche mit dem Rad bergab zu trampen, um einen
Fahrradladen zu finden. Einen Schlauch hätten wir ja noch gehabt,
aber einen Mantel?
Zum Glück wird mir geholfen und einige Zeit später können wir die
Reise fortetzen. Dennoch haben wir genug Zeit verloren, um dann in
Vielha zu sagen, hier bleiben wir für die Nacht...
Beim Sportplatz dürfen wir umsonst zelten – da wir aber in
Richtung Barcelona müssen und nicht wieder nach Frankreich rein,
dürfen wir uns mental schon mal darauf vorbereiten, dass am nächsten
Tag der über 5 km lange Tunnel von Vielha auf uns wartet – davon
etwa 4 km im Tunnel bergan und den letzten leicht bergab. Der Tunnel
ist zu der Zeit insgesamt noch recht schlecht beleuchtet – aber das
alles ist dann eine ganz andere Geschichte...
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