Donnerstag, 14. Juli 2016

Weinradlers Depesche: Montpellier - Mont Ventoux


Die heutige Strecke ist nun wirklich großartig und nicht nur für Freunde des französischen Südens eine wahrhaftige Delikatesse: Überall Reben, Licht und Luft des flirrend sommerlichen Midi. Von Montpellier aus zunächst durch die Hügel des Gard südlich an Nimes vorbei, in Tarascon dann den Satz über die Rhone. Eine wichtige Grenze wird da überfahren, wir verlassen das Languedoc und seine Weine und entern voller Zuversicht die Weingebiete der Provence. Dann durch St. Remy, die Alpilles grüßen. Die Gegend da übt einen geradzu magischen Reiz aus. Es fehlt die Lieblichkeit der Cote d Ázur und der "grünen" Provence im Departement Var. Die Gegend ist flach, nackt, die Sonne brennt stärker. Alles wirkt erdiger, direkter. Kein Zufall, daß Nostradamus seine prophetischen Poeme zwischen St. Remy und Salon verfasst hat. In dieser Gegend tritt in trutzigen Bauten das römische Erbe hervor, in der Arena in Arles zum Beispiel. Aber auch das Mittelalter, wie in den dicken Mauern der Abtei Montmajour oder weiter unten Richtung Camargue in den wehrhaften Befestigungen von Aigues Mortes.

Ein Wein auf der Strecke, ein bekannter Cru: Domaine de Trevallon aus Les Baux-de-Provence. Seit 1973 bereitet der aus dem Elsass stammende Eloi Dürrbach feine Weine, die unter speziellen mikroklimatischen Bedingungen am Nordrand der Alpilles wachsen.

Kurz hinter Cavaillon bei Robion hab ich die Tour mal erlebt, das war 2008. Endloses Warten, Trubel, Leben, lange Schlangen vor dem einzigen Klo in der Brasserie des Sports, herrlich...
Genau da geht es auch heute wieder durch. 



Und nun wird es ernst, über Gordes und Mazan sind es nur noch wenige Kilometer zum magischen Ziel der Etappe. 
Zum Ventoux kann man natürlich viele Geschichten erzählen. Nur kurz gestreift sei die Besteigung von Francesco Petrarca im Jahre 1336, die als erste bewußte Besteigung eines Berges gilt und eine kultugeschichtliche Marke gesetzt hat.

Tourgeschichte(n) hat der Berg natürlich auch geschrieben. Immerhin 15 Mal ging es bisher hoch, acht Mal endete eine Etappe dort. Hier ist dazu was zusammengefasst (klick).

Tragik am Berg, der Gipfel der Leiden und, ja, des Todes. An seinen heißen Hängen starb 1967 Tom Simpson. Der war in einer Fahrt des Irrsinns, glaubte sich mit einem Etappensieg nach vorne fahren zu können - alles eine Illusion. 1500 Meter vor dem Ziel fiel er von seinem Rad. Simpson hatte sich mit Amphetaminen und hochprozentigem Alkohol vollgepumpt, um den kahlen Berg zu bezwingen. Er starb wenig später in einem Krankenhaus in Avignon. Sein letzter Auspruch soll ja gewesen sein "Put me back on my Bike"...

Auf dem Ventoux bin ich zweimal gewesen, allerdings immer mit dem Auto. Zum ersten Mal 1992 auf einer Tour mit einem 200er Diesel-Benz. Mit seinen 60 PS nahm er den Anstieg systembedingt in stoischer Ruhe vor. 


Das andere Mal war 20 Jahre danach, im Herbst 2012. Unten in Bedoin war Markt, ein warmer Oktobertag. Doch trotz reizvoller Stände mit duftenden Würsten, Käse, dicken Nougatblöcken ging mein Blick immer wieder quer nach oben. Der Gigant thront quasi über der Ebene. Der kahle Gipfel ist von da überall zu sehen.




Ein Pflichtstop ist natürlich der Gedenkstein für Tom Simpson. Wir sind da ausgestiegen und fühlten deutlich, was schon das Außenthermometer angezeigt hatte. Unten in Bedoin waren es noch angenehme 20 Grad, hier oben nur noch knapp über Null. Dazu kam der enorme Windchill. Es wehte ein kräftiger Herbstmistral, der Wagen wackelte.





Oben auf der Kuppe war es unter Null. An den Metallkonstruktionen auf dem Gipfel bildete sich Eis. Aber der Blick war natürlich großartig. Die Luft war ganz klar, kein Dunst, wie man ihn im Sommer dort oft antrifft. Nach Nordosten die Alpen, zum Südwesten das Rhonetal bis ins Languedoc rüber. Nach Süden für mich aber mit dem größten Augenreiz: Über einem schmalen dunklen Rücken im Mittelgrund, dem Luberon, glänzte am Horizont das Mittelmeer. Ziemlich genau die weite Bucht vor Marseilles mit den Inseln. Etwas nach rechts sogar die Industrieanlagen von Fos-sur-Mer in der Camargue und die Öltanker in der Ètang de Berre. Ans Meer kamen wir nicht in der kurzen Herbstwoche. Aber der Ventoux, der Mächtige, hatte uns immerhin einen wahrhaft weiten Blick dorthin ermöglicht.


Nun aber noch was zum Wein. Die AOC Ventoux mit ihren Rebflächen südlich des Berges hat in den letzen Jahren einen Qualitätsaufschwung gemacht, vor allem getragen von kleineren Winzern wie Sebastien Vincenti mit seiner Domaine Fondreche, Chateau Pesquie und vielen weiteren (klick).
Es sind kraftvolle Gewächse, die den Vergleich mit den Spitzen und Crus der Rhone nicht zu scheuen brauchen. Würzige-intensive Charakterdarsteller mit tiefdunkler Frucht, häufig mit maskuliner Rustikalität. Die Weine reiten in ihrer Jugendphase oft Attacke auf Nase und Gaumen, eine gewisse Alterung lohnt auf jeden Fall. Typische Gewächse also für Südweintrinker, und die soll es ja, trotz aller Betonung von Eleganz und Finesse, wie es gerade en vogue ist, durchaus noch zahlreich unter Weinfreunden geben.



1 Kommentar:

  1. Danke für diesen schönen Artikel.
    Tollen Blog habt Ihr da aufgerufen...

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