Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen
Andorra kenne ich seit
1991 und lange Jahre war es mein Lieblingsland in vielerlei Hinsicht.
Wie bereits erwähnt kam ich damals per Rad über Seu de Urgel und
überquerte den Port d´ Envalira in Richtung Frankreich, so wie es
auch heute in der Etappe gemacht wird.
In den ersten Jahren wirkte Andorra auf
mich wie ein riesiger Einkaufstempel in einem recht alten Dorf.
Seither hat sich vieles verändert – nicht alles zum Positiven.
Bereits auf meiner ersten Tour war ich
begeistert von den romanischen Kirchen in Santa Coloma und in
Canillo, aber auch von den einst billigen Preisen allerorten. Gezahlt
wurde wahlweise in Peseten, wenn diese weg mussten oder in Francs und
man konnte auch die Währungen mischen. Bei einem Gaststättenbesuch
zum Essen wurde fast überall ein fahrbares Tischchen mit diversen
Edelspirituosen zur Gratis-Selbstbedienung an den Tisch gestellt,
man fand für um die 1000 bis 1200 Peseten auch ein Bett für die
Nacht, beim Kauf von 2 kg Kaffee – wobei das umgerechnet nicht viel
mehr als 5 € kostete, wurde manchmal gratis eine Flasche Baileys
beigegeben, dann in den 90ern gab es im Punta Trobada, dem riesigen
Einkaufstempel kurz vor der spanischen Grenze eine oft wunderbare
Auswahl spanischer Weine – wo sich auch sehr gute und interessante
Prioratweine finden ließen (meine 3 Flaschen 1998er Vall Llach hatte
ich z.B. von dort, aber auch diverse Weine der 90er von den
„Pionieren“).Die waren zwar auch teuer aber dank fehlender
Mehrwertsteuer immer noch deutlich günstiger als anderswo.
Aber auch Gewürze, Käse aus dem
Aran-Tal und katalanische Wurst mussten immer mit. Und natürlich der
besonders günstige grüne Chartreuse oder mal ein doppelt gebrannter
Anis aus Andalusien oder ein Absinth (den man zu der Zeit sonst
nirgends fand). Seit das Punta Trobada allerdings zu Leclerc gehört,
ging es rapide abwärts mit guten Angeboten und auch mit den
Sonderofferten. Dieses Jahr kam ich zu dem Schluß, dass es sich
eigentlich nicht mehr lohnt, dort einzukaufen. Das Angebot ist mau
und die Preise nicht mehr besser als anderswo.
Wenn es schwer ist, andorranische
Briefmarken zu bekommen, weil die Postämter die meiste Zeit
geschlossen sind, so ist es beinahe unmöglich, an die neuen
andorranischen Euromünzen heran zu kommen, man zahlt auch in Andorra
seit 2002 mit dem Euro, aber lange hat es gedauert, bis eigene Euro –
Münzen herausgegeben wurden, die jedoch alle von Spekulanten
abgefangen werden, und dann teuer vertickt werden. Selbst Andorraner
durfen wohl nur jeweils einen Satz pro Haushalt 1 zu 1 auf Antrag
erwerben.
Vielleicht aber ist die Euro-Einführung
auch eine Art Zäsur gewesen... Seither beobachte ich eine generelle
Verteuerung und Angleichung des Angebotes an Spanien resp.
Frankreich.
Dennoch muss es dem Land an sich nach
wie vor gut gehen. Die Arbeitslosigkeit ist gegen Null tendierend und
überall boomt seit Jahren das Land. Überall wird gebaut, entstehen
neue Siedlungen und Straßen, Die „einzige“ Durchfahrtstraße
bietet fast nur noch oberhalb von Encamp unberührte Natur, die
Ortschaften „dehnen“ sich aus.
Dennoch gibt es abseits davon nach wie
vor ruhige Ecken, sehr viel Natur und Bergsportmöglichkeiten aller
Art. Es lohnt ich inzwischen mehr, zum Wandern als zum Einkaufen
hier her zu kommen. Etliche Gipfel lassen sich leicht wandernd
erklimmen, manche erfordern auch ein kleines alpines Händchen. Es
gibt grandiose Naturkulissen und Gegenden, wo man fast einsam ist.
Um Canillo sind etliche lohnende
Klettersteige entstanden, die sich ihren großen alpinen Vorbildern
gegenüber nicht verstecken müssen. Es gibt eine lange Abseilroute
und zwei Vies Cables, an denen man richtig im Fels ohne künstliche
Hilfen klettert, aber gesichert ist wie im Klettersteig.
Oben wird geklettert, unten geht heute die Tour durch |
Dazu kommen weitere weniger lohnende
Klettersteige und Sportklettergebiete. In der Natur trifft man auf
Gemsen, Pyrenäensteinböcke, Bergziegen, Murmeltiere, diverse
Bilcharten und eine riesige Vogelwelt...
Man darf zwar nicht im Zelt außerhalb
von Zeltplätzen biwakieren, aber es gibt ein gutes Netz kostenfreier
Wanderhütten.
In den Ortschaften findet man hingegen
leider nur noch kostenpflichtige Parkplätze – wie ich dieses Jahr
mit großem Bedauern feststellen musste, eine Endeckungstour von Ort
zu Ort geht damit nun deutlich ins Geld – auch das war früher
deutlich besser. Tanken allerdings kann man in Andorra noch immer am
Günstigsten – es lohnt also nach wie vor die Einreise mit fast
leerem Tank. 1,005 € / l habe ich dieses Jahr für 95er Super
berappt – und auf der Rückfahrt sogar meine bislang einzige Euro –
Münze aus Andorra bekommen – es gibt sie also doch....
Ich hatte 1991 auf meiner Radtour in
Andorra la Vella übernachtet, das kleine
familiengeführte Hotel war auf Radtouristen nicht eingestellt und
man riet mir dazu, das Rad mit auf´s Zimmer zu nehmen. Und dass war
im 3 Stock – mit enger steiler Treppe. Dafür war es gut und
günstig, genau wie das Abendmenü, was man mir zauberte.
Genau wie heute für die Radler ging es
auch für mich vom Start weg sofort bergan – nur, dass ich noch
etwa 30 km Gepäck bei mir hatte. Relativ bald nach dem Start fing es
an zu regnen, neben der Kraftausdauer für den über 20 km langen
Anstieg war dann auch noch Disziplin gefragt.
Eine erste Pause genehmigte ich mir in
Canillo, um etwas oberhalb dieses Dorfes die romanische
Kirche zu besichtigen, eine der sehenswertesten im Principat...
Heute würde ich schon unterhalb von
Canillo parken, am Friedhof – dieser Parkplatz ist Ausgangspunkt
für zwei der vier Klettersteige von Canillo, beide
miteinander kombiniert ist dann schon eine gute Herausforderung an
Psyche und Kraft und mir meine Klettersteighöchstwertung wert. Am
Ende des ersten Steiges wartet ein ausgiebiges und kraftraubendes
Überhangstück, der obere Steig hat u.a. ein kniffiges Hangelstück.
Wer sein 60 m Seil bis zum Ende des ersten Steiges hoch schleppt, der
muss nicht abwandern, sondern kann zunächst mehrfach in einer
Schlucht abseilen. Am Ende wartet eine Dreifachabseile in einer
steilen Wand, die man auch sofort nochmals erklimmen kann. Hier gibt
es zwei Kletterwege, die ich auch inzwischen beide gemacht habe und
wo man wie am Klettersteig gesichert emporklettert.
Aber zurück zur 1991er Tour... Nach
dem Besuch der Kirche regnete es nicht weniger, sondern mehr, in
Soldeu, dem damals letzten Ort vor dem Paß, war die
Moral am Ende und das Bedürfnis nach Einkehr groß... Was trinken
und eine wärmende Suppe. Plötzlich sehe ich draußen einen
Radfahrer mit Gepäck, der sich wie ich den Berg hocharbeitet. Zahlen
und nachsetzen. Tatsächlich - ich hol ihn ein, wir sind nun mitten
in den Wolken.
Über den Wolken ist es trocken, aber
auch kalt. Der Port d´ Envalira hat Anfang August 6°C
über Null auf etwas über 2400 m Höhe... So was merkt man sich. Ein
Leben lang. Aber auch die faszinierenden Blicke vom Pass in beide
Richtungen. Zwischenzeitlich konnte man immer mal in einer kleinen
Bar einen Kaffee oder auch ein Bierchen trinken, in den letzten
Jahren aber war dort leider alles geschlossen. Nur Tankstellen hat es
auf dem Pass, die Mineralölfirmen streiten sich dabei um den
lukrativsten Aussichtsplatz – bei den billigen Preisen aber ist man
sich in der Hierarchie einig. BP ist immer nochmals ein Müh
günstiger als die Konkurrenz.
Dann geht es bergab. Die Tour de
France Radler werden dabei sicher hoffentlich durch die Grenzanlagen
rasen dürfen, ohne sich ausweisen zu müssen und nachzuweisen,
wieviel Alkohol resp. Zigaretten sie nach Frankreich einführen.
Normale Wanderer, Radfahrer und Autofahrer werden bis heute von den
französischen Behörden bisweilen peinlich genau geprüft. Man
sollte sich als Autofahrer also immer fragen, wann man dort einreist
– nie am Nachmittag oder frühen Abend kurz nach Geschäftsschluß.
Die Zeit, die man sonst an der Grenze verwartet, verbringt man besser
noch mit einem guten Essen in Pas de la Casa. Und
kommt dann später ohne große Wartezeit durch die Grenze. Aber
vielleicht dann auch im Dunklen oder im Wolkennebel. Oder im Gemisch
aus beidem wie in diesem Jahr, wo ich mir bei der Rückkehr aus dem
Priorat schließlich in Merens le Val
ein Zimmer in einer hübschen Gîte / Chambre d´ Hôte gönne.
Auch
im höchstgelegenen französischen Ort L´Hospitalet
pres l´Andorre
hab ich bereits mal übernachtet, 1992, als ich mir eine
Bahnrundreise durch Frankreich gönnte. Von diesem lausigen Kaff mit
Hotel und Bahnhof bin ich dann mal nach Andorra getrampt. Einmal
reicht das, wie ich überhaupt solche Bahnrundreisen inzwischen
äußert beschwerlich finde. Man schleppt seinen Hausrat auf dem
Rücken rum und ist an Fahrpläne gebunden, auch wenn sich das
Bahnpersonal an selbiges nicht hält...
1991
sind wir im Stück abgerollt bis nach Ax-les-Thermes,
es
war einfach viel zu kalt für Zwischenstopps. Der mit mir radelnde
Freund kam aus der Bretagne und war im Gegensatz zu mir nicht zum
ersten Mal da. In Ax versprach er Linderung des Frierens. Es gab
einen Kaffee und eine Rosinenschnecke mit im Thermalbecken baumelnden
Füßen, eine Tradition, die ich seither aufrechterhalte, wann immer
ich nach Ax-les-Thermes komme.
1991 bin ich dann über den Chioula – Pass weitergeradelt, die
weitere heutige Strecke kenne ich aber per Auto auch zum allergrößten
Teil.
Zunächst
geht es durch das hübsche Ariège - Tal mit
seinen felsigen Abschnitten. Mehrere Orte hier würden zum Verweilen
einladen, wenn man nicht immer nur durchfahren würde – wie ich in
den letzten Jahren vielfach auf dem Weg ins Priorat oder davon
zurück.
Die
20 km aus dem Ariège Tal hinüber nach Lavelanet
sind die einzigen er heutigen Etappe, die ich nicht aus eigenem
Erleben kenne.
Ab dort kenne ich die Strecke bis Revel in entgegengesetzter Richtung
von einer Urlaubstour, auf der ich mich verstärkt den Katharerburgen
widmete. Ich bin hier weiter gefahren nach Montsegúr als erstem
Highlight der Katharer – Tour.
Auf
der Strecke hatte ich natürlich auch in dem hübschen Kleinstädtchen
Mirepoix
haltgemacht, dem kulturellen Highlight der heutigen Etappe mit seinen
Fachwerkhäusern mit den großen Arkaden, mit seiner Markthalle und
seiner Kathdrale.
Die Landschaft ist nun wellig und hübsch, aber im Gegensatz zum
ersten Teil der Etappe unspektakulär.
Hier
geht es eher ums Kilometerfressen... Ein Hochgenuss anderer Art
bietet das immer quirlige Städtchen Castelnaudary.
Hier rühmt man sich eines besonders guten Cassoulet – Rezeptes.
Dabei fällt mir ein, dass ich das auch schon lange mal wieder machen
wollte, aber irgendwie ist ein Cassoulet auch kein rechtes
Sommeressen, obwohl man es vor Ort zu jeder Jahreszeit anbietet...
Im
Zielort Revel
(ebenfalls mit schönem alten Ortskern, einer alten Markthalle und
einem Wehrturm) ist man fast schon wieder an den Ausläufern des
Zentralmassivs – genauer an denen der Montagne
Noir. Insofern
überrascht der Schlußanstieg uns nicht, auch wenn er natürlich ein
Klacks ist. Gemessen an dem, was war...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen