Sonntag, 14. Juli 2013

15. ETAPPE - Sonntag, 14. Juli 2013 - Givors > Mont Ventoux - 242,5 km



Ein prächtige Etappe zum französischen Nationalfeiertag. Für mich klar die Krönung der Tour 2013, vorbehaltlich der doppelten Alpe d´ Huez Sause am Donnerstag. Heute eine Strecke, die der 100. Ausgabe wahrhaft würdig ist. Erstmal: 242,5 Kilometer. Dann: Die Rhone südwärts, nach einem Ausflug in den Norden zurück in die sonnendurchfluteten Gefilde der Povence. Und schließlich: Der Schlußanstieg auf den legendären Ventoux, "Le Géant de Provence". Doch der Reihe nach. Los geht es heute in Givors, etwas südlich von Lyon (langer Post zur Genußmetropole zur gestrigen Etappe hier/klick).

Kurz darauf wird Vienne erreicht, eine Stadt, die sich recht eng in das Tal der Rhone schmiegt. Da war ich 2005 für eine Nacht, eine Etappenübernachtung auf dem Weg ins Midi. Gegessen haben wir damals sehr schön dort. Das Menü im Restaurant Le Cloitre, direkt neben der mächtigen Kathedrale St-Maurice, war ein sinnlicher Einstieg in die Genüsse des Südens. Den Wein dazu weiß ich nicht mehr, es wird aber gewiß einer von der nördlichen Rhone gewesen sein. Denn eins ist ja klar: Die bekannten AOCs dieser Region beginnen gleich südlich von Vienne: Cotes Rotie, Condrieu, Hermitage etc.



Guter Einstieg zu Beginn der Reise: Menü in Vienne


Für die (Wein)orientierung hier mal eine Übersichtskarte.




Man sieht, weingeographisch zerfällt die Rhone in die sprichwörtlichen zwei Hälften. Im Norden regiert die Syrah und ergibt festfleischige Weine mit kerniger Frucht, in den Spitzen legendäre und teure Weine. Die südliche Rhone kontrastiert dazu, hier ist alles reichhaltiger, vor allem mit den warmtönigen, grenachebetonten Weinen (Chateauneuf du Pape, Gigondas etc.). Als Trennpunkt könnte man den Atomkomplex Cruas nördlich von der Nougatstadt Montélimar bezeichen. Da haben wir im letzten Herbst an der N7 mal angehalten und ein idyllisches Atombild mit dem Reisewagen gemacht. Auf einem Kühlturm das große Gemälde mit dem Kind drauf, ein irritierender Moment, NO NUKES!




Die Südroute haben wir mit dem Auto auf dem Weg ins Midi öfter genommen, in der Regel aber nicht über die alte Route National 7 wie auf dem Bild oben, sondern über die parallel verlaufende A7, die Autoroute de Soleil, DIE Verbindungsachse in den Süden, immer nah an der Rhone entlang. Die Tour folgt allerdings heute nicht direkt dem großen Fluß südwärts, sondern bewegt sich auf hügeligen Nebenstraßen etwas östlich.
Südöstlich von Montelimar beginnen dann die endlosen Rebflächen der südlichen Rhone, das ist schon die weinsatte Provence. Hier lebt noch immer viel mit, vom und für den Wein, Genossenschaften, jede Menge Winzer auf unterschiedlichem Qualitätsniveau. Herausgehoben im Appellationssystem sind zuvörderst die Crus, dann die Village Weine.




Hier mal ein Bild vom Kreisverkehr in Valreas, gemacht im letzten Herbst. Da gehts heute knapp östlich vorbei hinter den Hügeln auf dem Weg nach Nyons. Auch da gibt es Wein, der Ort ist aber bekannter für seine Oliven mit eigenem AOC Status. Dort haben wir im letzten Jahr für eine Woche ein Ferienhaus gemietet. Mitten im Ort lag das, am zentralen Platz mit seinen charakteristischen Arkaden. Nyons liegt quasi auf einer Grenze. Direkt östlich wird es bergig, der Ort hat bei allem südlichen Charme auch schon etwas Alpines.






Blick vom Ferienhaus auf den Marktplatz

Das Grüne in der Mitte war unser Ferienhaus

Nicht der Wein, sondern die
Olive dominiert in Nyons

Mittagsimbiss in Nyons. Dazu das Öl von dort,
der Rosé serviert im Pott Lyonnais


In Nyons bin ich auch mit dem Rennrad unterwegs gewesen, zum Teil auf Strecken, die auch die Fahrer heute nehmen. Auch ein Paß wurde gemacht: Der Col de Croix Rouge. 8 Kilometer bergauf, für die Profis ein Fliegenschiß, für mich war das schon was zum Treten...





Und nun wird es ernst, von Nyons bis zum Ventoux ist es nicht mehr weit. Die exakte Strecke über Vaison-la-Romaine, Malaucène und Bedoin bis auf den Berg der Berge sind wir mit dem Auto gefahren. In Bedoin war Markt, ein warmer Oktobertag. Doch trotz reizvoller Stände mit duftenden Würsten, Käse, dicken Nougatblöcken und allem was ein provenzalischer Markt so präsentieren kann, ging mein Blick immer wieder quer nach oben. Der Gigant thront quasi über der Ebene. Der kahle Gipfel ist von da überall zu sehen.

Diesen Blick haben die Fahrer heute von Norden kommend auf den Berg


Unten Markt, oben die Majestät

Zum Ventoux kann man natürlich viele Geschichten erzählen. Nur kurz gestreift sei die Besteigung von Francesco Petrarca im Jahre 1336, die als erste bewußte Besteigung eines Berges gilt und eine kultugeschichtliche Marke gesetzt hat.
Tourgeschichte(n) hat der Berg natürlich auch geschrieben. Immerhin 14 Mal ging es bisher hoch, acht Mal endete eine Etappe dort. Hier ist aktuell dazu was zusammengefasst (klick).
Tragik am Berg, der Gipfel der Leiden und, ja, des Todes. An seinen heißen Hängen starb 1967 Tom Simpson. Der war in einer Fahrt des Irrsinns, glaubte sich mit einem Etappensieg nach vorne fahren zu können - alles eine Illusion. Amphetamine, Alkohol, große Hitze waren zuviel. Gar nicht mal so weit vor dem Gipfel fiel er vom Rad, sein letzter Auspruch soll ja gewesen sein "Put me back on my Bike"...



Ich bin zum ersten Mal oben gewesen im Jahr 1992. Nicht mit dem Rad, mit dem Auto. Auf einer Tour mit dem grünen Benz, von der hier schon mal die Rede war. Der 200er Diesel mit seinen 60 PS nahm den Anstieg systembedingt in stoischer Ruhe vor. Im letzten Herbst, 20 Jahre später, ging es mit dem Scenic müheloser hoch, doch man sollte sich ohnehin hier Zeit nehmen, auch mit dem Auto. 






Ein Pflichtstop ist natürlich der Gedenkstein für Tom Simpson. Wir sind da ausgestiegen und fühlten deutlich, was schon das Außenthermometer angezeigt hatte. Unten in Bedoin waren es noch angenehme 20 Grad, hier oben nur noch knapp über Null. Dazu kam der enorme Windchill. Es wehte ein kräftiger Herbstmistral, der Wagen wackelte, oben auf der Kuppe war es unter Null. An den Metallkonstruktionen auf dem Gipfel bildete sich Eis. Aber der Blick war natürlich großartig. Die Luft war ganz klar, kein Dunst, wie man ihn im Sommer dort oft antrifft. Nach Nordosten die Alpen, zum Südwesten das Rhonetal bis ins Languedoc rüber. Nach Süden für mich aber mit dem größten Augenreiz: Über einem schmalen dunklen Rücken im Mittelgrund, dem Luberon, glänzte am Horizont das Mittelmeer. Ziemlich genau die weite Bucht vor Marseilles mit den Inseln. Etwas nach rechts sogar die Industrieanlagen von Fos-sur-Mer in der Camargue und die Öltanker in der Ètang de Berre. Ans Meer kamen wir ja nicht in der kurzen Herbstwoche. Aber der Ventoux, der Mächtige, hatte uns immerhin einen wahrhaft weiten Blick dorthin ermöglicht.

Blick nach Süden Richtung Marseille,
bis dahin sind es immerhin noch knapp 100 Kilometer Luftlinie

Typische Rennradlerpose auf dem Gipfel, "Rad für Foto stemmen"


Die Abfahrt von oben, die auch viele Hobbycyclisten nehmen, geht auf der anderen Seite runter, dann nach Westen raus wieder in Richtung Malaucéne. Da, wie auch in Bedoin, kann man sich in absolut qualifizierten Läden tageweise Rennräder der Topklasse leihen, Alu - oder Carbon (für letztere werden schon mal über 100€ pro Tag fällig. Aber wollte am Ventoux schon am Material sparen...?




Nun aber noch was zum Wein. Die AOC Ventoux mit ihren Rebflächen südlich des Berges hat in den letzen Jahren einen Qualitätsaufschwung gemacht, vor allem getragen von kleineren Winzern wie Sebastien Vincenti mit seiner Domaine Fondreche, Chateau Pesquie und vielen weiteren (klick).
Es sind kraftvolle Gewächse, die den Vergleich mit den Spitzen und Crus der Rhone nicht zu scheuen brauchen. Würzige-intensive Charakterdarsteller mit tiefdunkler Frucht, häufig mit maskuliner Rustikalität. Die Weine reiten in ihrer Jugendphase oft Attacke auf Nase und Gaumen, eine gewisse Alterung lohnt auf jeden Fall. Typische Gewächse also für Südweintrinker, und die soll es ja, trotz aller Betonung von Eleganz und Finesse, wie es gerade en vogue ist, durchaus noch zahlreich unter Weinfreunden geben.
Heute wird zur Tour der Artemia von Pesquie geöffnet, Bericht folgt später. Zum Abschluß für heute noch ein Bild vom letzten Herbst, der Gigantis 2009, Spitzencuvée der Vignerons du Mont Ventoux (14,5% / 16-20€) verkostet vor Ort im Ferienhaus.









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