Mittwoch, 3. Juli 2013

5. ETAPPE - Mittwoch 3. Juli 2013 - Cagnes-sur-Mer > Marseille - 228,5 km




Eine lange Etappe durch die Provence. Nicht direkt an der Küste entlang, sondern 228 Kilometer durch das hügelige Hinterland. Diese Ecke kenne ich gut, bin fast die ganze Strecke des öfteren gefahren oder habe sie gequert, sei es mit dem Auto oder mit dem Rad. Deshalb hier mal die Beschreibung und die Hinweise auf die Weine etwas ausführlicher...
Zunächst, für Fans des Midi ist dies natürlich großes Kino. Vor allem, wenn man nicht hindurchrasen muß, wie die Pedalisten heute. Im Sommer mit seinen Farben und Düften durch Weinreben zu gleiten, ab und zu anzuhalten und sich in den Dörfern unter schattigen Platanen ein Glas Rosé zu gönnen ist eine traumhafte Erfahrung.



Verläßt man die im Sommer zu volle Küste, so wie es die Tour heute zwischen Nizza und Cannes macht, wird es schnell steil. Das sind noch die Ausläufer der Seealpen im Departement Alpes-Maritime. Verfolgte man diese Strecke weiter nördlich, käme man auf die legendäre N 85, die Route Napoleon. Eine Traumstraße vom Mittelmeer bis hoch nach Grenoble in den alpinen Raum. Die bin ich  schon öfter gefahren, am liebsten natürlich von Nord nach Süd. Hier im Tourblog ist das schon beschrieben, bitte hier und hier nachlesen, wenn man die Strecke gedanklich weiter nach Norden verlängern möchte.
Aber heute geht es nur hoch bis Grasse, eine Stadt mit verwinkelten Gassen, recht hügelig, natürlich bekannt als die Stadt der Düfte, die Stadt des Parfüms. Wer hierherkommt und etwas Zeit mitbringt, besucht in der Regel das Haus Fragonard. Auch ich hab das mal auf einer Männertour in einem alten VW Bully im April ´96 gemacht. Das Bild unten zeigt die steilen Mauern von Grasse, es war allerdings noch in der Vor-Handy Zeit. Wir hatten damals ein Fake-Handy mit, das konnte laut piepen und zog die Blicke auf sich.



Von Grasse aus geht es hügelig weiter, nichts Schweres, aber auch auch keine Mußestunde. Hin zum Lac de St. Cassien. Der ist bei Anglern aus ganz Europa beliebt, denn im klaren Wasser des Sees schwimmen richtig dicke Karpfen herum. Mit den gefangenen Fischen werden gerne die bei Petrijünger  beliebten Fischposerfotos gemacht. Die Karpfen fallen nach dem Fang offenbar in eine Art Schockstarre, auf den Bildern wirken sie jedenfalls wie ausgestopft. Zum Glück dürfen sie nach dem Fototermin dann zurück in den See.



Naja, für mich wär das nix. Lieber weiter Richtung Draguignan. Das war mal unser Einkaufsort für größere Besorgungen im Sommer 2007. Wir hatten ein paar Kilometer weiter in Flayosc ein Ferienhaus gemietet. Draguignan hat eine alte Tradition als Garnisonsstadt, es geht dort immer noch recht militärisch zu. Die Stadt ist Sitz der französischen Infanterieschule und der französischen Artillerieschule. Am Ortsrand sind die Einrichtungen zu sehen, mit allerlei Kanonen davor. 



Die Strecke aus der Stadt raus bin ich damals mit dem Rennrad öfter gefahren, es war die morgendliche Runde von unserem Ferienhaus in Flayosc aus, noch vor dem Frühstück. Die ging über die heutige Tourstrecke in Richtung Lorgues vorbei an der Domaine Roubine, ein stattliches Weingut, wo direkt vom Rad runter verkostet wurde. Lorgues selbst ist ein schöner Marktflecken, Trüffelfreunden bekannt durch Bruno, den Trüffelkönig. Sein Restaurant "Bruno" liegt etwas südlich des Ortes und ist bekannt - natürlich - für seine ausschweifenden Trüffelmenüs. Die schwarzen Knollen werden da großzügig über alles gehobelt, was die Küche verläßt, bis auf die Desserts. Weinfreunde sollten von da noch ein paar Kilometer weiter südlich fahren. Im Tal der Argens liegt bei Les Arc das Maison des Vins. (Fast) alle Weine der Provence - Appellationen werden dort präsentiert und verkauft.





Die Strecke führt weiter nach Brignole über einen kleine Paß der 4. Kategorie, für die Fahrer heute nur eine kleine Kuppe, südwestlich nach Méounes lès Montrieux. Auch hier war mal mein Rennrad-Fahrgebiet. 2008 hatten wir ein Ferienhaus in der Nähe gemietet, in Signes. Da fährt die Tour heute auch durch und kommt vorbei am recht abgelegenen Château de Cancerilles.  Die Spezialität hier ist ein Rosé aus spätgelesenen Trauben mit etwas Restsüße. Davon hab ich noch ein paar Flaschen, einen davon verkoste ich heute life bei der Tour, berichtet wird später. Durch Signe durch geht die Fahrt weiter, im Norden baut sich die imposante Kette des Massif de la Sainte-Baume auf. Im Süden liegt auf der Hochebene der Circuit Paul Ricard. Es ist eine hypermoderne Rennstrecke, auf der bis 1990 auch Formel 1 Rennen abgehalten wurden. Heute gehört der Kurs zum Ecclestone-Imperium und wird vor allem als Teststrecke genutzt.

Die Hochebene bei Signe, im Hintergrund
das Massif de la Sainte-Baume

Am Horizont sieht man von da schon die Küste, nach wenigen Kilometern beginnt sofort die AOC Bandol und man kann das Pedalieren mit dem Degustieren verbinden, wie man auf den Bildern unten sehen kann. Für Bandol gibt es zwei Anlaufstellen für einen Überblick: Einmal direkt in den Weinbergen bei Le Castellet das Maison du Vin Bandol mit herrlichem Rundblick über die Weinberge bis hin zum Meer und in Bandol am Meer selbst das Maisons des Vins. Beim Weindeuter gibt es hier (klick) was zu Bandol.

Erst Rad, dann Glas. Oder umgekehrt...



Die Tour entscheidet sich aber heute anders, es geht nochmal kurz nach Norden in Richtung Aubagne. Abgebogen wird an einer Kreuzung, die ich etwas ausführlicher erwähnen muß. Sie war nämlich in den besagten Ferien der Ort einer großen Niederlage für mich. Direkt dort befindet sich die Auberge du Camp, eine ehemalige Poststation. Wir wollten da abends gerne mal Essen gehen und uns auf dem Weg zum Strand nur schon mal die Menükarte anschauen. Beim zurücksetzen auf dem Parkplatz des Hauses fuhr ich rückwärts gegen einen Baum, viel passierte nicht, nur die Heckscheibe zersplitterte in tausend Stückchen. Zum Glück hatte Car Glass in Toulon eine Ersatzscheibe für den Ulysse da, die auch noch am gleichen Tag eingebaut werden konnte. Das Essen abends war dann von ländlicher Rustikalität, wir waren neben der Betreiberfamilie, die am Nebentisch mit großem Getöse Lasagne verzehrte, die einzigen Gäste.

Hier biegen die Fahrer heute rechts ab in Richtung Aubagne. Auf dem Parkplatz links hinter dem Restaurant mußte die Heckscheibe des Ulysse dran glauben...



Wie gesagt, bevor auch die Tour runter nach Cassis ans Meer geht, wird noch Aubagne gestreift. Kein besonders schöner Ort, ringsum ballen sich Gewerbegebiete. Dorthin führte mich unter anderem mein erster Südfrankreichaufenthalt in den 80er Jahren. Anlaß war eine Fotoreportage über ehemalige Fremdenlegionäre aus Dortmund, die auf den Spuren ihrer aktiven Dienstzeit eine große Feier der Légion étrangère besuchten. Die hat nämlich in Aubagne ihr Hauptquartier. Am 30. April wird da alljährlich mit großem Pomp dem Kampf von Camerone in Mexiko im Jahre 1863 gedacht. Dort konnten sich drei Offiziere und 62 Legionäre einen Tag lang gegen 2000 mexikanische Soldaten behaupten. Gekämpft wurde bis zur letzten Patrone, es blieben am Ende nur zwei Legionäre lebend übrig.


Die Bucht von Cassis, im Vordergrund die
Reben für den bekannten Weißwein


Doch wenden wir uns wieder angenehmeren Themen zu, es geht an das blaufunkelnde Mittelmeer, hinunter nach Cassis. Dies ist zunächst ein kleiner Badeort mit einem malerischen Hafen, gebettet in eine relativ enge Bucht zwischen der steil aufragenden Felsküste dort. Östlich von Cassis fallen die Felsen am Cap Canaille bis zu 340 Meter steil ins Meer ab, die höchste maritime Klippe Frankreichs. Oben führt eine spektakuläre Straße längs, die Route des Cretes. Die bin ich mehrfach mit dem Auto gefahren, 1992 auf einer größeren Südfrankreichtour mit einem 200er Diesel. Ziel war damals das Photofestival in Arles.

Vom Cap Canaille geht der Blick runter in die Bucht von Cassis, dahinter die Küste der Calanques. Ganz am Ende hinter der Biegung liegt dann schon Marseille.

Westlich von Cassis in Richtung Marseilles geht es an der Küste nicht minder großartig weiter. Es ist weiterhin Steilküste, ohne jede Straßenverbindung, jedoch unterbrochen von langen fjordartigen Einschnitten, den Calanques. Darin verbergen sich sehr schöne Badeplätze, zugänglich mit dem Boot vom Meer (Abfahrt von Cassis und La Ciotat) oder über steile und mühsame Wege von Land aus.



Blick von den Calanques aus Richtung Cap Canaille, dazwischen liegt die Bucht von Cassis

Bekannt unter Weinfreunden ist der Name Cassis auch als Weinbaugebiet. In der kleinen AOC Cassis dominiert der Weißwein, der Anteil liegt bei 80%. 12 Weingüter bauen auf 210 Hektar Fläche vor allem Marsanne und Clairette an. Die Weine sind duftig, frisch, sehr passend zur leichten Sommerküche mit viel Fisch.






Die Straßenverbindung von Cassis nach Marseilles markiert den letzten Abschnitt der heutigen Etappe. Es geht oben ein paar Kilometer durch eine von Kalkfelsen geprägte, vegetationsarme, verkarstete Landschaft und schließlich hinab nach Marseille, mit 850.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs und eine der großen Metropolen am Mittelmeer, in diesem Jahr übrigens Kulturhauptstadt Europas. Ich war mehrfach in Marseille. Zum ersten mal auf der besagten Fotoreise mit den Ex-Fremdenlegionären, dann 1992 ebenfalls für einen Fototermin. Für ein Fotoessay über Karl May sollte im Zoo von Marseille am Tigerkäfig ein Foto gemacht werden. Der Zoo war jedoch "entvölkert", keine Tiere mehr drin. Die formschönen Jugendstilgehege genügten nicht mehr den Anforderungen an eine zeitgemäße Tierhaltung. Schließlich lag Marseille auch auf einer Runde durch Frankreich und das Baskenland mit einem kleine alten, roten Kadett einige Jahre später. Der kleine Bochumer spulte in einer Woche zuverlässig tausende von Kilometern ab und durfte sich kurz an den Fischständen am Vieux Port ausruhen.














2 Kommentare:

  1. Ou, das Fake-Handy und der grüne Benz: schon damals schöne Fotos gemacht, ganz undigital.

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  2. ja, beide von dir. Morgen kommt was aus Arles...

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