Die Königsetappe der Tour. Es ist nicht die längste Tagestrecke, es geht nicht auf den höchsten Paß, es geht nicht auf DEN Bergmythos - nein es geht hoch nach Alpe d ´Huez. Einundzwanzig Kehren in einen frankreichtypischen Wintersportort aus der Retorte. 1952 wurde zum ersten Mal da hochgefahren. Dann allerdings erst wieder nach 24 Jahren 1976. Seitdem aber oft und regelmäßig. Die Namen der Etappensieger sind in den 21 Kehren aufgelistet. Um das Armstrong Schild ist ja ein Streit entbrannt. Nach der Aberkennung aller Toursiege, soll nun auch der Name Armstrong aus Alpe d'Huez verbannt werden. Der Bürgermeister will das Metallschild mit dem Namen des Texaners in der 21. Straßenkehre abmontieren lassen.
Das Besondere in diesem Jahr ist natürlich, daß zur 100. Tour de France die Strecke zweimal hochgefahren wird. Ich muß gestehen, daß mich das noch mehr als die Etappenankündigung zum Ventoux und die vielen Südetappen durch den Wein kribbelig gemacht hat. Hier mal eine Detailkarte des Geschehens heute.
Die Frage ist, und die wurde gestern schon gestellt: Ist das überhaupt mit den Resourcen und Standards regulärer körperlicher Leistungsfähigkeit im Spitzenathletentum des Profiradsports zu bewältigen?
"Was als Highlight zum Jubiläum gedacht war, erwies sich, zumindest in Deutschland, als Steilvorlage für die Kritiker des Radsports. Bei solchen Belastungen müsse sich nun wirklich niemand mehr wundern, dass die Profis gar nicht ohne verbotene medizinische Hilfe bei der Tour bestehen können."
Wobei hier nicht so sehr die reine Höhenleistung eine Rolle spielt, da waren in der Vergangenheit viele Etappen durchaus härter, sondern der kurze Abstand der doch sehr steilen Antritte. Zudem darf die kurze Abfahrt nicht vergessen werden, die ist nicht ohne Gefahrenpotential. Das läßt ja vielleicht auch ein paar taktische Winkelzüge zu. Mal sehen, es wird auf jeden Fall nicht langweilig werden. Es geht ja auch noch um die weiteren Podiumsplätze im Gesamtklassement.
In Alpe d ´Huez und im Tal der Romanche bin ich noch nicht gewesen. Dafür kenne ich die Etappenstrecke von Gap heraus ganz gut. Bis zum Abzweig bei La Mure folgt die Tour heute nämlich der N85, der legendären Route Napoleon.
Die N 85 ist eine wirkliche Traumstraße und für mich immer noch die schönste Art, ins Midi zu reisen. Sie beginnt in Grenoble, da geht es steil an, den Trubel des Tales läßt man unter und hinter sich und fährt im stetigen auf und ab Richtung Süden. Zunächst ist alles noch sehr alpin, mit quellklaren Seen und spektakulären Blicken in die Seitentäler mit ihren schneebedeckten Gipfeln des Alpenhauptkamms.
Es wird flacher und wärmer, Architektur und Vegetation ändern sich und irgendwann taucht ein Straßenschild auf: "Alpes-de-Haute-Provence". Dann hat man Gap schon passiert und ist kurz vor Sisteron, mit seinem spektakulären Felsdurchbruch der Durance. Von da sind es noch 180 Kilometer bis Nizza. Auf der Strecke liegen Lavendelfelder, Weinberge und eine der größten und tiefsten Schluchten Europas, der Grand Canyon du Verdon, 21 Kilometer lang und bis zu 700 Meter tief. Allein das lohnt schon die Reise.
Der Korse nutzte die Marschroute, als er, von Elba kommend, am 1. März 1815 mit 1200 Mann an der französischen Küste landete und über Grasse, Digne, Sisteron und Gap bis nach Grenoble 335 Kilometer in einem siebentägigen Gewaltmarsch zurücklegte. Am 20. März 1815 zog er schon wieder als Kaiser in den Tuilerienpalast ein. Allerdings nur für hundert Tage, danach kam Waterloo. Die Geschichte endete bekanntlich auf St. Helena im Südatlantik.
Die Route Napoleon bin ich schon öfter gefahren, allerdings nicht mit dem Rad sondern mit verschiedenen Autos. Das erste mal und in voller Länge im Juli 1990, mit einem im Kern vom Rost schon zerfressenen Mercedes Strich 8, angetrieben vom 55 PS - Diesel. Mit einem Leergewicht von fast 1,5 Tonnen war der 200 D bereits zu seiner Zeit Inbegriff der Untermotorisierung und brachte ihm den Spitznamen Wanderdüne ein.
Da wurde auch im Auto übernachtet. Der Priorat - Hammer berichtet ja in seinen Kommentaren häufiger von guten Biwakplätzen an Straßen und Parkplätzen. Er wählt wohl immer das Zelt neben oder in der Nähe des Autos. Wir haben uns das früher häufig geschenkt. Neben dem Wagen wurde nett gesessen, gegessen und getrunken. Für die paar Stunden Nachtruhe ging es dann auf die Liegesitze. Für den Beifahrer durchaus angenehem. Auf dem Fahrerplatz störte allerdings das Lenkrad, besonders im Benz war das ja riesig und reicht sehr nahe bis auf die Sitzkante heran.
Am Morgen näherte sich just während des Frühstücks laut blöckend eine Schafherde, umrundete aber unseren idyllisch hergerichteten Rastplatz in gebührendem Abstand. Dazu fällt mir grad ein, daß auch an anderer Stelle uns nach einer Autoübernachtung eine Schafherde am frühen Morgen aufsuchte. Das war in den Pyrenäeen hoch oben auf dem Col du Tourmalet (klick). Da waren wir auf großer Fahrt mit einem kleinen Kadett B, dem roten Bochumer.
Frühstück direkt an der Route Napoleon |
Würde der Troß heute der N85 nur noch weitere 10 Kilometer folgen und nicht zum Showdown nach Alpe d´Huez nach Osten abbiegen, käme er zu drei kleinen Seen, die zur Rast einladen. Auf einer Sommerfahrt in die Provence hielten wir da an. Wir hatten vorher schon allerhand Kilometer gefressen, im Burgund an der Autobahn kurz in den Fahrzeugen geschlafen. Die Pause auf der Etappe war herrlich. Zum Glück war auch was für den Genuß an Bord, wir hatten uns vorher bei Grenoble mit dem üblichen eingedeckt: Wurst Käse, Baguette und eine Flasche Vin de Savoie. Herrliches Panorama, vorne der blauglitzernde Lac de Petichet, dahinter die Bergkette. Die Kinder waren happy, da hätte man eigentlich auch bleiben können. Aber wir wollten ja weiter, ein Ferienhaus in Flayosc, mitten in den weinsatten Rebhügeln des Departements Var war angemietet...
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