Samstag, 10. Juli 2010

Jura Wein

Für mich heute eine Premiere ! Einen Wein aus dem französischem Jura hab ich noch nicht verkostet, die Region war für  mich bisher vinologisch ein weißer Fleck. Die Weine des Jura sind im deutschen Handel kaum vertreten, die gesamte Region ist in Deutschland noch sehr unbekannt. Gerade die weißen "Juristen" gelten aber als charaktervolle Weine mit ungewöhnlicher Aromatik.
Das Klima im Jura ist ausgesprochen kontinental, mit strengen Wintern, in denen die Temperatur weit unter den Gefrierpunkt sinkt und eine Menge Schnee fällt. Die Sommer sind warm und sonnig. Die Spezialität des Jura ist der extrem lagerfähige Vin Jaune, der "gelbe Wein", gekeltert aus der säurebetonten Savagnin-Traube. Er wird mindestens 6 Jahre im nicht ganz gefüllten Barrique unter Sauerstoffzutritt ausgebaut, wobei eine Schicht aus Florhefe, ähnlich wie bei Sherry, den typischen Charakter verleiht. Auch die regulären Weißweine des Jura sind interessant. Neben dem Savagnin ist Chardonnay zugelassen. Auch diesen wird oft durch oxydativen Ausbau ein besonderer Charakter verliehen. Und genau ein solches Exemplar war zur heutigen Etappe am Start:

  • Les Graviers Chardonnay 2006 Appellation Arbois / Domaine André et Mireille Tissot, vinifé par Stéphane Tissot (13,5%, 19,50€) Eine Chardonnay-Auslese   mit bio-dynamischem An- und Ausbau, "cultivées de facon naturelle", wie es auf dem Rücketikett steht, nur 7000 Flaschen. Sattes gelb mit grünen Reflexen, aus dem Glas strömt es rauchig-nussig in  die Nase. Faszinierend, wie ein Müsliriegel mit Rosinen drin. Im Mund dann sehr reifer Apfel, macht sich tüchtig breit. Zunächst auch Süße, dann aber eine trockengemauerte Steinwand ! Mineralik, die oft beschworene, hier ist sie exemplarisch da. Und zwar auch dann noch, wenn der Schluck längst runter ist. Ein Charakterspieler hoher Güte, der möglicherweise nicht jedem schmeckt, für Feunde inividueller Weine aber ein origineller Genuß. Kuckt mal auf die Seiten der Erzeugers, da kann man auch dem gärenden Wein lauschen !
Chardonnay - Charakterspieler aus dem Jura

2 Kommentare:

  1. Ich danke Dir, lieber Weindeuter, dass ich heute kurz auch gustatorisch an Deiner Tour de Vin 2010 teilnehmen konnte.
    Was für ein Wein, was für ein Erlebnis! Versteht mich bitte alle nicht falsch; würde ich gefragt werden "Welchen Wein empfiehlst Du mir?" dann stände der Weiße aus dem Jura eindeutig NICHT auf meiner Liste. Menschen, die nach Weinempfehlungen fragen wollen o nur zu oft keine Geschichte, keine Anekdote, keine Herausforderung, sondern Bekanntes, Trinkbares, Wiederholung desgleichen, Wiederholung desselben - diese Fragenden sind durch und durch Gewohnheitstiere, und ich verteufle es mitnichten. Gewohnheit ist etwas schönes, angenehmes und vor allen Dingen verlässliches. Bewährtes sollte bewahrt werden, nicht wahr? Wird der Weiße sich gehorsam einreihen in die mir bekannten Weine?
    Ich bin, so möchte ich meinen, in "Sachen Wein" sehr unkundig. Anbaugebiete? Tja, es wird wohl welche geben, n'est-ce pas? Rebensorten? Nun ja, das Wort ist mir geläufig, die Rebsorten leider nicht. Shiraz ist synonym für Syrah? Nein, pardon, das wusste ich wirklich nicht.
    Doch habe ich so einige Erlebnisse in meinen Leben mit Weinen gehabt... - es gibt eben Weine, Momente, die zementieren sich in meine Erinnerung und ich denke, dieser Chardonnay schafft das relativ lax.
    Schon im Glas zog er beeindruckende Schlieren. Uh, oh, dachte ich, der wird mich doch nicht immens süß umhauen? Als meine Nase die erste Kontaktaufnahme wagte, kroch der Weinduft fix hinein und biss mich kurzerhand. Ich mein' das ernst! Der Wein hat mich tatsächlich angegriffen! Mich in die Nase gebissen, innen drin! Wie fies! Wie hinterhältig! Wo war das Fruchtige? Das Leichte? Bei über 35 Grad im Schatten verlange ich pure Flüssigkeit! Mindestens aber ein olfaktorisches Versprechen für dasselbe! Doch das wollt' er mir nicht geben, der fiese Hund!
    Nun gut, der erste Schluck: ...Leichte Süße, süße Leichtigkeit, nur kurz, schnell unterwegs ab über die Zungenspitze und dann - *BOOOOOM!* Haut er mich um. Einfach so. Als wäre er in meinem Mund explodiert. Ist er vermutlich auch. Tocken, pelzig, heftig, umfassend, jäh und gewalttätig hat dieser Wein meinen Mund ungefragt annektiert.
    Hilfe, wie werde ich den wieder los?!! Mal vorsichtig hinterherschmecken... Der gewaltige Geschmack klingt minimal ab, ist aber noch ungemein präsent. Ist glatt mit Koffer und Kegel eingezogen.
    Was ist da eigentlich gerade passiert? So etwas hat mir noch kein Wein angetan, den ich bisher getrunken habe. So ein Flegel!
    Hm. Nochmal nippen. Tatsächlich; das gleiche Spiel noch einmal. Ich fasse es nicht, ein Wein mit Humor, ein Spieler, ein echter Scherzkeks! Ich merke, wie er mir mit jedem winzigen Nippen sympathischer wird. Pasta oder Salat als Begleitung? Undenkbar, die würde er verhöhnen und sie kalt lächelnd vor Scham im Boden versinken lassen. Eine Schlachterplatte vielleicht? Luftgetrocknete Salami? Irgendetwas fettiges, das ich persönlich vermutlich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde, bin ja nicht so eine Fleischfanatische. Werd' den weißen Jura wohl solo - passt das Wort genießen? - erleben müssen?
    Nein, ich würde ihn nach wie vor nicht bei mir einziehen lassen und einen längerfristigen Tanzkurs würde ich mit diesem grobschlächtigen Kerl auch nicht buchen wollen - aber wenn man, respektive frau mal zwischendurch eine Herausforderung, einen Wein mit Charakter, einen ungehobelten und nichtsdestotrotz faszinierenden Macho mit dem Hang zu deftigen Lausbubenstreichen sucht, dann ist mit diesem Chardonnay aus dem Jura äußerst tüchtig bedient. :)

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  2. Hallo Oratorin,

    schöne Beschreibung deines Genusserlebnisses, welches ich gut nachvollziehen kann, auch ohne genau diesen Wein getrunken zu haben.

    Aber so sind sie, die "Juristen"-weine.

    Ich bin seit dem Erstkontakt auch immer wieder so angetan, dass ich diese Weine nicht mehr missen mag, Jura Weine nehmen einen nicht unbeträchtlichen Anteil meines Kellerbestandes ein.

    Und du bist nur ganz vorsichtig eingeweiht worden in dieses Thema, mit einem Chardonnay, was in Weiß die Basis bedeutet... Was wäre passiert, wenn du einen reifen Savagnain zum Tanz aufgefordert hättest, oder wenn dich ein Vin Jaune verführt... Die bleiben noch viel länger, sind noch viel "fieser" und nisten sich wirklich komplett ein.

    Die Jura Weine sind wahre Charakterköpfe und sie verachten den, der nicht neugierig ist, die gewohnten Pfade zu verlassen, aber sie halten Abenteuer bereit, statt zu langweilen mit immer derselben ewig bekannten Leier.

    Und sie passen hervorragend zu "schwerer" Kost (muss nicht mal übermäßig fettig sein), aber auch zu leichterer sommerlicher Küche - wart mal meinen Jura-Wein ab, zu dem ich gleich schreibe... Die Küche braucht vor allem einen Jura-Bezug, für "magere" Geflügel (Bressehuhn, Perlhuhn,Pute, Wachtel ist sie empfänglicher als für fette Gänse oder Enten, für Wild empfänglicher als für fette Hausschweine, sie mögen Stampfkartoffeln mit Gemüse in allen Variationen, lieben Morcheln und das Spielen mit den Käsen der Region in der Küche.

    Rauhbeinig sind sie nicht wirklich, aber eben vom Land der Gegensätze und eben halt vom Land - Natur... Manchmal nichts für Stadtkinder, auch wenn diese zwischen Plattenbauten in Pfützen spielen - die Juraweine wollen in die tiefen Wälder, auf die satten Wiesen und an die kalkigen Felswände oder in die lehmigen - Höhlen.

    Wer einmal ein paar Tage Urlaub in dieser Aktivgegend macht und dazu die regionale Küche und die regionalen Keller plündert, der kommt vom Jura nicht mehr weg, versprochen.

    Auf die Räder, auf die Kanus, schnall den Wanderrucksack um, zieh den Klettergurt an und setz die Stirnlampe auf. Vergiß die Ski nicht. Und nicht die Badesachen. Alt-Französisches Flair romantischer Dörfer und kleiner Städte warten auch, aber keine modernen Städte, keine kühle Stahl-Beton-Glas Architektur mit noblen Boutiquen und Riesen-Diskos... Hier werden die dörflichen Feste noch gefeiert, wie sie fallen und man ist schneller von den gastfreundlichen Einheimischen eingeladen, als man denkt.

    Bleib neugierig und verlass bisweilen die eingetretenen Pfade. Das Leben wird interessanter dadurch.

    Und schreib weiter, ich hoffe, der Weindeuter läßt dich noch öfter hier teilhaben.

    Torsten

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