Samstag, 24. Juli 2010

Torstens Genusskommentar: Bordeaux - Pauillac

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Das Einzelzeitfahren ist eine Hommage an die großen Weine des Medoc, nach dem Start im Herzen von Bordeaux wird auch an den großen Handelshäusern der Quai´s vorbeigefahren. 
Die Durchfahrt von Blanquefort, welches auch eine Önologenschule beherbergt, erinnert mich an das dort durchgeführte Euro-Talents Festival zum Jahresende 1992. Hier waren Jugendgruppen verschiedenster EU-Länder und der französischen Provinz Quebec (Kanada) über den Jahreswechsel zusammen und zeigten ihr Können in verschiedenen künstlerischen Projekten. Mit dem Partnerverein aus Blanquefort führten wir auch noch weitere internationale Jugendaustausche durch. 
Bereits bei einem Vorbereitungstreffen  im Frühjahr 1992 kam ich erstmals auch mit den ganz großen Weinen des Medoc in Kontakt. Wir bekamen diverse richtig gute Weine zu trinken und besuchten auch das eine oder andere renommierte Weingut – nur: ich war damals noch nicht so sonderlich belesen und erst im Aufbaustadium meiner Weinleidenschaft, daher ist mir nicht jeder Name im Gedächtnis geblieben… 
An den Besuch von Pichon Longueville Baron jedoch erinnerte ich mich später, als ich 1994 wissentlich dort hin fuhr und feststellte „Hier warst du doch schon mal…“


Aber bereits 1994 besuchte ich dann das Medoc speziell der dortigen Weine wegen… Aus dieser Zeit und von späteren Fahrten kenne ich dann auch die heutige Strecke aus den Augen des Weinfreaks. Die D2 hat ja auch den Beinamen Route des Grands Cru´s – der 3. Cru La Lagune eröffnet den Reigen. Der 1995er hat mir hier recht gut gefallen, meine Reserve davon lasse ich aber ruhig noch weiterhin liegen.

Später wird dann am Château Cantemerle vorbeigefahren (5. Cru Classé), das ebenfalls noch zur AOC Haut Medoc gehört. Hier durfte ich den 1990er und den 1996er trinken, beides sehr korrekte Weine in ihrer Klasse. 
In der Nähe vom Château Giscours erreichen wir die AOC Margaux und es wird direkt an Schlössern wie Prieure Lichine und Palmer vorbeigeradelt. Auch von diesen Schlössern habe ich ein wenig in meiner Bordeaux-Sammlung, aber grade bei Palmer traut man sich ja kaum noch zu trinken, schaut man sich dessen Preisentwicklung in den letzten Jahren an. Ich erwarb den 1995er in der Subskription zu einem heute undenkbaren Preis. 
Und auch die Flaschen der Weingüter des Nachbar-Crus Saint Julien werden nicht billiger – glücklich, wer noch auf Bestände aus den 80- und 90ern zurückgreifen kann – die waren bei den Châteaux, die am unmittelbaren Wegesrand der Fahrer liegen noch bezahlbar und fehlen auch bei mir nicht im Vorrat für schlechte Zeiten… In der Reihenfolge des Streckenverlaufs haben wir Château Beychevelle (gleich am Beginn der AOC), Château Branaire-Ducru, Château Saint Pierre und dann die drei Leovilles: Barton, Las Cases und Poyferré. Von letzterem hat mich unlängst der 1989er sehr begeistert. 
Andere namhafte Cru´s sind nicht weit entfernt, aber ich will hier nicht all die Namen aufzählen. 
Auch wenn es dann in die letzte AOC des Einzelzeitfahrens geht, haben wir berühmte Namen unmittelbar am Wegesrand. Vom Château Latour begrüßen dessen Weinberge, der berühmte Turm mit den heute nur noch für die Reichen erreichbaren Weinen, ist ein wenig von der Straße zurückgesetzt, näher dran stehen dann die beiden Pichons Spalier, der Baron links und die Comtesse rechts. Dann grüßen noch die Schlösser mit dem Wörtchen Bages im Namen und schon sind wir mitten in Pauillac, dem Zielort.

Am Ende muss heute jeder selber wissen, welches der noblen Gewächse für den heutigen Tag geeignet sein soll, ich allerdings bin heut schon mitten in einer großen Prioratprobe und da passen meine 5 noblen aus 1993 nicht mehr rein – zerreißen wollte ich dieses Quintett – Leoville Barton, Leoville las Cases, Pichon Comtesse, Montrose und Cos d´ Estournel auch nicht, also habe ich den Ruhetag genutzt und schon mal einen kleineren Haut - Medoc vorab auf das Einzelzeitfahren getrunken…

Château Lieujean; Cru Bourgeois; Haut Medoc; 2000 rot Welch üppiges Nasentier, würzige und reife Cabernetaromen dominieren diesen sich glanzvoll präsentierenden Wein. Dieser wunderbare komplexe Duft, bei dem der Kenner auch blind gleich ruft: „Ah – Bordeaux“, signalisiert einen Wein, der eigentlich schon über das gewohnte Maß bei den Bürgerlichen hinaus geht, und der auch bei „kleineren“ klassifizierten mithalten könnte. Am Gaumen sehr harmonisch und bereits auf dem Punkt, das Tannin wunderbar verwoben, genug Ecken und Kanten, um noch eine Persönlichkeit zu entfalten, aber auch ein Bordeaux mit gutem Trinkfluß. Mittlerer Körper und für einen großen Wein fehlen ihm Tiefe und Nachhaltigkeit, aber was hier alles in allem geboten wird (für relativ kleines Geld übrigens seinerzeit), dass folgt der Regel: „Kleine Namen in großen Jahrgängen können auch glücklich machen“. Sehr gute 92/100 Th. Mit diesem Jahrgang sicher gut über seinem Rang stehend.

Dies ist nun mein letzter offizieller Tourwein für die Tour de France 2010. Wie auch bereits der Gascogner – leicht vorab getrunken, denn bereits ab Freitag heißt es für mich wieder: Jede Menge Prioratos stehen zur Verkostung an – und ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere Leser mich auch weiterhin auf meinem Blog ab und an besucht. Und Priorat dürfte ja ganz gut passen, um dem sicher erneut die Tour Gewinnenden Contador „zu huldigen“ – Davon sind jede Menge am Start, eine zweite große 2007er Jahrgangsprobe, eine kleine spezielle Weißweinprobe und sicher viel Spaß versprechende 2000er als 10 years after Probe…

Bis zur Tour de France 2011 an dieser Stelle – mir hat es hier viel Spaß gemacht.

Torsten „DerPriorat“Hammer

PS: Einen hab ich natürlich noch – zur Schlussetappe gebe ich meinen Senf selbstverständlich ab, auch ohne Tourwein…

2 Kommentare:

  1. Hab gerne alles mitgelesen, großartiger Einsatz !

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  2. Danke an den Hammer ! Auch das Lesen hat Spaß gemacht.

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