Freitag, 16. Juli 2010

Torstens Genusskommentar: Bourg-de-Peage - Mende 12.Etappe





Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen.

Heute haben wir, keine 20 km nach dem Start, einen der Giganten der französischen Weinwelt vor uns – den Hermitage. Die Weine sind teuer, aber auch einzigartig gute Weine aus der Syrah – Traube (rot) oder Marsanne und Roussanne (weiß). Beide benötigen viel Geduld und so liegen auch mehr Flaschen bei mir versteckt, als ich bislang wirklich getrunken habe. Wann wohl darf ich meinen roten von Jean-Louis Chave aus 1995 öffnen? Derzeit denke ich nicht im Traum daran. 
Wie gut auch ein weißer 1992er Chante Alouette (Coup de Coeur im Guide Hachette 1995) war – habe ich hingegen schon erleben dürfen. Einige Jahre zuvor stoppte ich an einem Januarsonntagnachmittag (ich war auf dem Weg von Aniane nach Hause) in Tain l´ Hermitage und siehe da, beim berühmten Hause Chapoutier war geöffnet – Grund genug für mich, eine kleine Verkostung durch den Planet Chapoutier zu machen. Anders als in den Edelboutiquen der Champagne durfte ich mich hier gleich sehr wohl fühlen und als ich erwähnte, u.a. einen 1992er Chante Alouette des Hauses zu besitzen, wurde dieser weiße, gereifte Wein sofort für mich zum Verkosten geöffnet. Meine eigene Flasche blieb dafür noch weitere Jahre zu und dankte es mir dann mit einem meiner größten Weißweinerlebnisse, die ein Leben lang haften bleiben. 
Aber auch an den ganz großen Lagenweinen durfte ich „naschen“, als die normalen Touristen gegangen waren.

Wem die Hermitage – Weine zu teuer sind (obwohl sie für ihre Klasse oft wieder günstig sind…), der halte sich an die Nachbarappellation Crozes Hermitage. Laurent Combier - ein Drittel des Trio Infernal aus dem Priorat – macht hier erstaunlich günstige und dennoch große Weine, die keinen Vergleich mit dem großen Nachbarn scheuen müssen.

Auf der anderen Rhône-Seite gibt es noch wenige Kilometer Rebland und danach bleibt uns erst mal nur das Wasser gegen die Hitze – aber dafür kommen traumhafte Landschaften. Wenn ich die Alpen mag, dann liebe ich das Zentralmassiv. Per Rad, zu Fuß, mit Schneeschuhen und Klettergurt war ich hier des Öfteren unterwegs und doch kenne ich bislang nur Bruchteile dieser ergiebigen, abwechslungsreichen, aber auch oft sehr einsamen Berggegend. Nach einem Zwischenstopp im pittoresken Le Cheylard ist die Überquerung des Gerbier de Jonc ein weiteres Highlight. Diese habe ich zwar bislang noch nicht per Rad gemacht, aber ähnlich wie beim Mont Aigoual führt auch hier eine Straße direkt über den Gipfel und dass war 1998 bei der Rückkehr aus den Alpen schon für mich ein rechter letzter Knochen…

Wenn man nicht mal grad eine der tiefen und sehenswerten Schluchten (= Gorges) queren muss, ist man im Zentralmassiv häufig auf dünn besiedelten Hochebenen (= Causses) in Höhenlagen zwischen 600 und 1.200 m  Aber dort aufgesetzt sind dann die vielen „kleinen“ Gebirge, oft ehemalige Vulkane, grade im nördlichen Teil des Massivs. Am Mont Gerbier entspringt übrigens auch die Loire, einer der wichtigsten französischen Weinflüsse. 
Im weiteren Verlauf der Tour sind Pradelles und vor allem auch Langogne recht nette kleine Verschnaufpausen für den Frankreichliebhaber. Hier oben geht alles deutlich langsamer und ruhiger zu, das Lozere empfängt uns mit Kühen und Schafen allenthalben und interessante Käse- und Wurstspezialitäten laden zum Picknick ein. 
Als Wein dazu sollte man sich nach einem Chardonnay Landwein von der Ardeche umsehen (Louis Latour aus dem Burgund macht hier interessante Sachen), unbekannter sind die den Rhôneweinen zugehörigen Côtes du Vivarais, aber auch ein charakterstarker Côtes d´ Auvergne, ein Côtes de Forez oder ein Côte Roannaise sollten entschuldbar sein, letztere gehören bereits zu den Loire-Weinen, und da wir heute die Loire überquert haben, entscheide ich mich für solchen als Etappenweine. 
Ab Pradelles folgen wir bis Mende im Übrigen der N88, einer nicht all zu breiten, aber gut ausgebauten Nationalstraße. Bevor die mautfreie Autobahn A 75 fertig war, habe ich die Strecke öfter als Verbindung Lyon – Montpellier genutzt und auch heute fahre ich sie gern, wenn es mal nicht ganz so eilig ist. Der Abschnitt von der A 75 bis Mende wird derzeit noch besser ausgebaut und hinter Le Puy en Velay gibt es in Richtung Saint Etienne auch mehr und mehr vierspurige Abschnitte. Man büßt hier also nicht mal all zu viel Zeit ein, spart aber jede Menge Maut und kann sich dafür einige Weine extra leisten.

Der Zielort Mende mit seinen alten Gassen und einer alten Brücke über den Lot empfängt uns mediterran – quirlig und man fühlt sich dort sofort wohl. Auf keinen Fall sollte man verpassen, einen Blick in das Innere der Kathedrale mit seinen Aubusson – Wandteppichen zu werfen. 
Meine Wein - Wahl fällt auf meinen Liebling aus der Auvergne, die Domaine Rougeyron aus Châteaugay. Bereits als ich erstmals Mitte der 90er dort zum Wandern war, fielen mir dessen charakterstarke Weine auf und ich trank sie nicht nur gern vor Ort, sondern eine oder zwei Flaschen mussten auch per Rucksack bis nach Hause… 
Später lernte ich dann den zu den Weinen passenden Charakterkopf des Winzers kennen, der auch auf den Messen der Vignerons Independants in Strasbourg und Lille stetig präsent und oft schnell ausverkauft ist. Seine Weine zählen für mich zu den vom PGV her besten und zuverlässigsten in ganz Frankreich und wer wie ich, auch schräge, nicht mainstream - mäßige Weine mag, der freut sich über solche Kisten in seinem Keller… 
Mich strahlten sowohl der 2004er als auch der 2005er im Trinkregal an und so öffne ich kurzerhand beide, die man auch im Sommer leicht angekühlt trinken kann – interessant, die beiden Jahrgänge miteinander zu vergleichen, haben doch auch beide Weine die Goldmedaille des Concours Generale Agricole in Paris gewonnen… Und beide zusammen belasten das Budget mit ca. 10 € beim Kauf ab Winzer (bzw. auf den Salons). 
  • Domaine Rougeyron; Vieilles Vignes; Côtes d´ Auvergne Châteaugay; 2005 rotIm Vergleich zum 2004er in der Nase leider angepasster und moderner, was sich auch am Gaumen fortsetzt. Untermalt zwar mit einer leichten Kaffeenote aus dem gekonnten Fassausbau und ist keinesfalls schlecht, aber mir fast einen Tuck zu neutral. Oder braucht er einfach nur noch Zeit? Sehr gute 91+/100 Th. 
  • Domaine Rougeyron; Vieilles Vignes; Côtes d´ Auvergne Châteaugay; 2004 rotSchon die Nase kennzeichnet den Wein sehr und es ist genau das, was ich daran so sehr liebe – ein sehr typischer Gamay aus alten Rebstöcken von den vulkanischen Böden der Auvergne. Himbeeren und rote Johannisbeeren auf rostigen Nägeln und der Eindruck abgebrannter Wunderkerzen oder Streichholzkuppen. Sehr offen schon in der Nase, sehr eigenwillig, schräg und speziell, weit weg vom Mainstream und zugleich wunderbar vielschichtig. Sehr harmonisch in den Augen eines Velvet Underground Fans. Wer mehr auf Abba steht, lässt besser die Finger davon… Exzellente 93/100 Th. Durstlöschend, Depressionen vertreibend und auch ein sehr guter Begleiter zu den Spezialitäten der Auvergne.
Zielort der heutigen Etappe: Mende zwischen Massif Central und den Cevennen

1 Kommentar:

  1. Kucke schon ein paar Tage hier rein, mal ein kleines Lob, die Posts gewinnen von Etappe zu Etappe.

    AntwortenLöschen