Freitag, 13. Juli 2012

Etappe 13: Saint-Paul-Trois-Châteaux - Le Cap d’Agde 217 km


Die heutige Etappe ist wahrlich eine Strecke durch den Wein. Es beginnt in Saint-Paul-Trois- Chateaux, ein schöner alter (Wein)ort an der Rhone - übrigens auch ein Zentrum des provencalischen Trüffelhandels.
Wenn nur nicht direkt gegenüber auf der anderen Flußseite der Atomkomplex Tricastin liegen würde. Da gibt es schon mal Störfälle, erst im Juli 2008 kam es zu einer Uran - Kontamination des Bodens. Die Weine von dort, AOC Tricastin, litten deswegen lange an einem Imageproblem ("l'arôme à l'atome") . Deshalb wurde die AOC im Jahr 2010 umbenannt, die Weine der Region firmieren jetzt unter der Bezeichnung Grignan-les Adhémar.

"l'arôme à l'atome"

Es geht dann über die Rhone in Richtung Uzes ins Departement Gard, das ist schon Languedoc, die Weine dort werden aber noch der Rhone zugerechnet. Kurz bevor das Feld direkt nach Süden Richtung Mittelmeer abdreht, wird es für Weinfreunde nochmal spannend. Zwischen Valflaunès und Saint-Martin-de-Londres geht es direkt am Pic Saint Loup vorbei - Wein ohne Ende.
Und jede Menge Erzeuger, die Hochwertiges auf Flaschen füllen: Sonnensatte Weine mit viel Frucht und würzigem Schmelz. Die gern verwendete Syrah erreicht dort wirkliche Klasse, besonders aus den Hügellagen, da wo sich nördlich des Mittelmeerbogens schon die Cevennen erheben. Gute Namen sind hier u.a. Chateau de Cazeneuve, Chateau l' Euziere, Chateau  Puech-Haut, Domaine de l' Hortus, Domaine de Morties, Domaine Clavel...

Berg und viel Wein:
Pic Saint Loup

Die Trauben für meinen Etappenwein (wurde gestern vorverkostet) wachsen nur wenige Kilometer weiter südwestlich bei Aniane, die Weingärten dieses für die Qualitätsentwicklung des Languedoc wichtigen Betriebs werden quasi gestreift...

Altmeister aus dem Midi

Mas de Daumas Gassac 1995 Aniane / Languedoc (12,9% / 30€) Wer über die A9 von Avignon bis zur spanischen Grenze fährt sieht unendliche Rebflächen. Hier werden bedeutende Mengen des europäischen Weinsees produziert, Massenerzeugung total.
Seit den 80er Jahren ist dies aber auch eine Boomregion für Qualitätswinzer. Trendsetzer war hier Aimé Guibert mit seinem Daumas Gassac in Aniane. 1978 war der erste Jahrgang, der auf Mas de Daumas Gassac produziert wurde, unter Beratung des damaligen "Star-Oenologen" Emile Peynaud aus Bordeaux, einer Art Vorgänger von Michel Rolland. Anfang der 80er begann die Weinszene auf Daumas Gassac aufmerksam zu werden. Gutes Marketing kam dazu, zudem der Nimbus des Newcomers aus einer Underdog-Region. Der Gault Millau titulierte den Gassac gar als „Lafite des Südens". Wie auch immer, alles was aus dem Languedoc danach kam und kommt, steht durchaus auf den Schultern von Aimé  Guibert.
Der ist übrigens bis heute ein kantig-knorriger Streiter für den Wein als regional verankertes Naturprodukt. Im Jahr 2000 erlangte Aniane Bekanntheit, als die Mondavis hier ein Weingut etablieren wollten. In der Bevölkerung formierte sich Widerstand, die Kalifornier zogen sich zurück. Anzuschauen ist das in Jonathan Nossiter herrlicher Dokumentation Mondovino. Gleich am Anfang gibt es da ein Interview mit einem grantelndem Aimé Guibert: "Le vin est mort..." Der Trailer bei you-tube hier (klick).
Ein Großteil (80%) der Weinberge ist mit alten, ungeclonten Cabernets bepflanzt - diese inzwischen schon 40 Jahre alten Reben erzeugen auf natürliche Weise nicht mehr als 35hl/ha. Daneben gibt es Parzellen mit Malbec, Merlot, Cabernet Franc, Syrah und vielen weiteren Rebsorten. Das Mikroklima ist kühl inmitten des heißen Languedoc, angestrebt wird nicht der opulent-fruchtige Stil, man setzt eher auf Feinheit und Komplexität. Die Weine gelten als sehr gut lagerfähig.
Gute Voraussetzungen also für den 17 Jahre alten Kameraden. Der Kork war im unteren Teil suppig und brach beim Ziehen, es mußte also etwas gefiltert und dekantiert werden. Die Lüftung tat dem Wein gut, schöne rauchige Nase, entwickelt, aber noch voller Kraft. Dunkel, eingelegte Früchte - dabei nicht aufdringlich, bewahrt Anstand und hat Manieren. Gut mundfüllend, kein dicker Klopfer, fein mit mürbe gewordenen Gerbstoffen - schöner, die Sinne anregender und beruhigender Genuß.



Bis zum Mittelmeer geht es abwechselnd durch Weinfelder und die für das Midi so typischen Dörfer. Die nächste Weinadresse ist dann Frontignan, schon direkt am Wasser gelegen. Trotz eines großen Tanklagers ein sehr schönes Städtchen mit altem Ortskern, Weinfreunden bekannt für seinen Muscat de Frontignan.
Von da sind es nur noch ein paar Kilometer am Meer entlang bis Sète: Großartige Stadt, praktisch von allen Seiten von Wasser umgeben, gekrönt vom Hügel Mont St. Clair. Die Geburts- und Heimatstadt von Georges Brassens, dem großen Poeten und Sänger. Der hatte sich ja in einem Chanson gewünscht, am Strand von Sète begraben zu werden ("Supplique pour être enterré à la plage de Sète").

Stadt am Meer: Sète mit Mont St. Clair

Bis zum Ziel in Cap d´ Agde geht es dann 16 Kilometer geradeaus, immer am Wasser entlang. Wäre ich morgen da mit dem Rad unterwegs, würde ich schwach werden und mich in die Fluten des Mittelmeeres stürzen. Und danach einen erfrischenden weißen Vin de Sable trinken. Die "Sandweine" wachsen direkt auf der schmalen Landzunge zwischen Meer und dem Bassin de Thau, auf der morgen gefahren wird.

Da wird morgen gefahren:
Strand zwischen Sète und Agde mit Vin de Sable

Cap d´ Agde ist nicht so sehr bekannt für Wein, sondern als Nudistenparadies. Die (Retorten)kleinstadt für urlaubernde Nacktfreunde aus ganz Europa ist auch ein beliebtes Ziel für Swinger, komplett mit Fetisch-Boutiquen, Clubs und Sex on the beach am Plage des Cochons...

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