Montag, 9. Juli 2012

Torstens Genusskommentar: Arc et Senans – Besancon

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Ihr werdet lachen, aber ich habe dieses Einzelzeitfahren bereits im November 1997 gemacht, allerdings habe ich zwischendrin sogar noch übernachtet. Bereits vorher war ich etliche Male im französischen Jura und war bereits zu der Zeit ein Liebhaber der originellen Juraweine. Nur Arc et Senans hatte ich noch nie besucht, währenddessen der Zielort Besancon bereits erstmalig auf der Sommerradtour 1990 dran war. Damals hatten wir, vom Cirque de Consolation (ihr erinnert euch an  gestrige Berichte) aus kommend, die Departmentshauptstadt erreicht und uns dort die wunderschön Altstadt angeschaut, bevor es über Dole in Richtung Dijon weiter ging.

Neben der reich ausgestatteten Kathedrale St. Jean haben wir uns damals die Zitadelle von Vauban angeschaut und auf unserem Spaziergang durch die Altstadt etliche reiche Prachtbauten sowie das auf die Römerzeit zurückgehende Stadttor Porte Noire entdeckt. Auch zu späteren Gelegenheiten habe ich immer wieder gern Halt in dieser schönen Stadt gemacht.

Nun aber zu jener Tour 1997 – ich war damals von  Paris aus an die Loire und über das Beaujolais zum Chartreuse Massiv geradelt, von dort aus ging es dann über das Jura langsam wieder zurück in Richtung Heimat. Ich hatte recht schönes Herbstwetter und konnte sogar fast jede zweite Nacht noch problemlos zelten. Aber nun war so langsam ein Wetterumschwung im Kommen und Novemberschmuddelwetter kündigte sich an. Ich hatte an jenem Tag in den Weinbergen des Jura gezeltet und am Vormittag auch einen Winzer besucht, mittags in Arbois war jedoch vieles wegen der Mittagsruhe geschlossen – es ist dann eben auch außerhalb der Touristenzeiten... So beschloss ich, weiter zu fahren und den Umweg nach Arc et Senans zu machen. Die königlichen Salzwerke verkörpern eine für diese Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts ideale Vorstellung von einer „Industriestadt“. Die aufgrund der Wirren der französischen Revolution allerdings nie vollendete Anlage steht heute unter Denkmalsschutz und kann besichtigt werden. Noch etwas interessanter für mich war aber dann doch der Laden der Fruitière Vinicole d´Arbois im Ort. Hier können zum Ab-Hof Preis alle Weine dieser qualitativ hochwertigen Genossenschaft mitgenommen werden und es darf natürlich auch fleißig probiert werden – der Service war genau so nett, wie ich es vom Hauptladen in Arbois kenne. Und als man erfuhr, dass ich bereits desöfteren dort Weine eingekauft habe, gab es auch die Vin Jaune´s und den Vin de Paille zu probieren. Und da ich im Fahrradgepäck keinen unbegrenzten Platz habe, sind das auch genau solche Sachen, die dann mit nach Hause dürfen..



Grade für die Gelben Weine habe ich ein Faible entwickelt, ein 1985er der Kooperative war einer der ersten, die ich nicht nur verkostete, sondern trank. Von 1991 und oder 1992 sollte auch noch etwas in meinem Keller liegen. Diese oft großen und sehr komplexen Weine gehören generell zu den für mich oft unvergesslichen Weinmonumenten französischer Winzerkunst. Sie bestehen zu 100% aus Savagnin, einer der autochthonen Rebsorten des Jura. Der Wein bleibt für mindestens 6 und ein Viertel Jahre im nicht ganz gefüllten Fass. Auf der Flüssigkeitsoberfläche muss sich eine sogenannte Florhefeschicht bilden, die nicht zerstört werden darf, sollte es durch Erschütterungen doch einmal passieren, dann wird der Wein nur noch als Vin de Cuisine verkauft. Das Kochen damit ist natürlich deutlich preiswerter, als einen Vin Jaune zu verkochen und man hat dennoch diese eigene Aromatik des Vin Jaune in der Soße. Ein Klassiker ist natürlich das Maishähnchen aus der Bresse oder aus dem Loue - Tal mit Morcheln und einer Soße aus gelbem Wein, Creme Fraiche und Morchelwasser.

Poularde de Bresse au Vin Jaune et Morilles
Auch wenn ein Vin Jaune durch seine aufwändige Herstellung erst spät in den Verkauf kommt, so braucht er dennoch immer viel Zeit, manche können in ihrer Jugend sehr unzugänglich und hart wirken und benötigen noch lange Flaschenreife, um ihre ganze Komplexität und vor allem auch Finesse herausarbeiten zu können. Gegenwärtig kann man Jahrgänge vor 1993 empfehlen, jüngere würde ich nur antasten, wenn man davon genug im Keller liegen hat. Aber wer hat das schon – ich habe so zwischen 30 und 40 verschiedene Vin Jaunes angesammelt und gehe sehr geizig damit um, um sie nicht vor der Zeit weg getrunken zu haben. Vin Jaune kann in allen AOC´s des Jura produziert werden, man trifft also „Côtes du Jura“ Vin Jaune´s, wie auch solche aus den AOC Arbois und L´Etoile. Die Besonderheit ist die AOC Château – Châlon, die nur für Vin Jaune zugelassen ist. Wer jemals einen Château Châlon mit anderen Vin Jaunes vergleichen konnte, der weiß auch, warum man hier vom Grand Cru des Vin Jaune spricht.

Blick ins Fass: Vin Jaune mit (schützender) Hefeschicht
In Deutschland sind vernünftige Vin Jaunes allerdings fast nicht zu finden, wie auch generell die Weine des Jura bei uns ein Nischendasein fristen, eben weil sie so ganz anders als Riesling  Co. sind.Wer sie dagegen mit der Regionalküche des Jura kennenlernt, für den besteht allerdings oft ein gewisses Suchtpotential. Ein bisschen mögen geht allerdings eher nicht, man ist entweder von diesen Charakterweinen begeistert oder man lehnt sie ab, weil sie nicht dem Mainstream entsprechen und Zugeständnisse machen. Es gibt zwar inzwischen einige junge Winzer, die versuchen, aus Chardonnay, Savagnin, Pinot Noir und co. gleichgeschaltetere Weine heraus zu holen, aber die wirklichen Fans mögen und honorieren das nicht sonderlich, wenn Jura nicht mehr nach Jura schmeckt.

Andere empfehlenswerte Weine der Genossenschaft aus Arbois sind fast immer die Cuvée Bethanie, der Vin de Paille und der Macvin du Jura, aber auch in manchen Jahren einige andere im Guide Hachette hoch gelobte Weine. Die Empfehlungen dieses Weinführers haben mich zumindest bezüglich dieses Erzeugers nie enttäuscht.

Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, fiel es mir an einem Novembernachmittag nicht schwer, erst im Dunkeln aus dem Weinladen zu finden – von daher habe ich von der folgenden Strecke in Richtung Besancon erst mal nicht viel mitbekommen. Da sich auch das Wetter verschlechterte, beschloss ich, auch nach einer Unterkunft Ausschau zu halten – bis zur Kleinstadt Boussières allerdings gelang mir das nicht – hier war dann wenigstens eine Bar offen, wo ich fragen konnte. 

Man nahm mir jegliche Hoffnung – vor Besancon käme nichts... Ob jemand wisse, wo ich in diesem Falle ein Zelt unstörenderweise aufstellen könnte... Diese Frage löste Gegenfragen aus, wo ich denn her käme und wie ich unterwegs sei.  Und plötzlich zahlte einer der Gäste und forderte mich auf, ihm hinterher zu fahren. Seiner Frau eröffnete er wenig später, er habe jemanden zum Essen mitgebracht, der gern im Garten zelten würde. Nein, das ginge gar nicht, im November im Garten zu zelten... und so wurde mir ein Gästebett hergerichtet – ja auch das ist Frankreich und seine Gastfreundschaft, grade Radfahrern gegenüber. Es wurde ein sehr netter Abend, wie ihr euch vorstellen könnt.

Und am nächsten Tag ging es dann im Flußtal weiter über Besancon bis nach L´ Isle sur le Doubs, wo dann allerdings der Regen so stark wurde, dass ich den dortigen Bahnhof ansteuerte und die Radtour für beendet erklärte. Die restlichen Kilometer nach Deutschland verbrachte ich im Zug. Ohnehin ging mein Rückzug von Basel nach Dessau am nächsten Tag...


2 Kommentare:

  1. nochmal ich: sehr schöner Bericht, wer sowas erlebt hat und so darüber schreibt, dem glaub ich nicht, daß er wegen nem Plastikröhrechen seine Füße nicht mehr ins gelobte Land setzt. ;-)

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    1. Na schaun wir mal, ich werde diesen Sommer die Situation bezüglich der Polizeikontrollen sehr genau beobachten - und natürlich erstmal kein Röhrchen kaufen. Gut, diesmal wird auch nicht mit meinem Auto gefahren, aber wie gesagt, es geht ums Prinzip und nicht um 2 Euro. Und ich hoffe, dass nach der generell genussfeindlichen Politik eines Herrn S. nun doch auch endlich wieder Vernunft ins Land einzieht.

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